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Medien: Schlechte Nachrichten

Trotz steigender Umsätze muss die Agentur ddp Insolvenzantrag stellen

Von Barbara Nolte

Die Nachrichtenagentur ddp hat gestern beim Amtsgericht in Berlin Charlottenburg Insolvenz angemeldet. Die Agentur sei in Zahlungsschwierigkeiten geraten, weil ein Darlehen eines Gesellschafters ausgefallen sei, erklärte der Geschäftsführer Wilfried Hub. Von der Insolvenz ausgenommen sind die ddp.vwd.Wirtschaftsnachrichten. Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde Christian Köhler-Ma von der Rechtsanwaltskanzlei Leonhardt & Partner eingesetzt, die bereits die Berliner Unternehmen Borsig und Herlitz erfolgreich durch eine Insolvenz brachte.

Gestern arbeiteten die 145 fest angestellten und 200 freien Mitarbeiter der ddp normal weiter. Ob die Agentur überlebt, hängt davon ab, dass nur wenige der 300 Kunden abspringen. Für den Fall einer Insolvenz haben sie ein Sonderkündigungsrecht. Deshalb riefen Geschäftsführer Wilfried Hub und sein Kollege Lutz Schumacher gestern persönlich bei ihren großen Kunden an. „Die Reaktion war positiv“, sagte Hub, „sie bleiben bei der Stange.“

Dass die Agentur massive wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, deutete sich bereits an, als die Juli-Gehälter der Mitarbeiter verspätet und die für August nur zur Hälfte gezahlt worden waren. Am vergangenen Sonnabend wollten Betriebsrat und Mitarbeiter die drohende Insolvenz noch einmal abwenden. Auf einer Betriebsversammlung boten sie an, in diesem Jahr auf das 13. Gehalt sowie auf zwei halbe Monatsgehälter zu verzichten, sagte der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Leifheit. Im kommenden Jahr hätten sie Gehaltsabstriche von 7,5 bis 25 Prozent hingenommen. „Es haben trotzdem ein paar Mosaiksteine in der Gesamtfinanzierung gefehlt“, sagte Wilfried Hub vage.

Der größte Mosaikstein ist ein 3-Millionen-Euro-Darlehen, das ein Teilhaber der Agentur angeblich zu zahlen versprach. Der Privatmann namens Franz Thiel aus Beilingen in Rheinland-Pfalz habe, so die ddp, sich im Mai sogar notariell dazu verpflichtet. Bereits Anfang des Jahres war eine Finanzspritze von 2,5 Millionen Euro ausgeblieben, die der Österreicher Peter Kölbel nach Angaben der ddp – ebenfalls notariell verbrieft – zugesagt habe.

1971 als Alternative zu der großen deutschen Presseagentur dpa gegründet, übernahm ddp mit der Wende die Ost-Nachrichtenagentur ADN. Georg Kofler hatte sie 1999 seiner Pro-Sieben-Media-AG Gruppe zugekauft, weil er hoffte, er könnte Geld sparen, wenn er für seine Fernsehsender eine Haus-Nachrichtenagentur hätte. Die Agentur erwies sich dann als besonders schwer verkäuflicher Teil der Kirch-Konkursmasse. Als Kaufinteressent kursierte der Name des Konsuls Weyer, einer Boulevard-Berühmtheit, die ihr Vermögen mit dem Verkauf von Titeln machte.

Doch der Einstieg von Weyer blieb nicht mehr als ein Gerücht. Im vergangenen Jahr wurde die Agentur für einen symbolischen Euro an ihr Management, unter anderem Hub und Schumacher, verkauft. Und die fanden einen Investor, der offenbar nur wenig seriöser war als Weyer: Peter Kölbel, der sich für den österreichischen Bauunternehmer Hanno Soravia um die lokalen Fernsehstationen TV Berlin und TV München kümmert. Kölbel brachte schlechte Presse, „Focus“ brachte ihn mit Geschäften mit der Familie des ehemaligen jugoslawischen Staatspräsidenten Milosevic in Verbindung. „Kölbel wollte einen drastischen Sanierungskurs fahren“, sagte Hub, „30, 40 Mitarbeiter entlassen. Wir waren der Meinung, dass die Agentur dann nicht mehr funktioniert.“ Hub und Schumacher machten sich auf die Suche nach einem neuen Investor.

Was die Umsätze betraf, ging es für die ddp in den vergangenen Jahren voran: von 3,6 Millionen im Jahr 2000 auf 10,7 Millionen im laufenden Jahr. Die Agentur hatte dem größeren und teureren Konkurrenten dpa ein paar Kunden abgejagt: „Rheinische Post“ und „Rheinzeitung“ ließen sich von ddp beliefern. Außerdem haben sie ein neues Geschäftsfeld entdeckt: Für sieben Tageszeitungen – unter anderem die „Ostsee-Zeitung“ und den „Nordkurier“ – baut ddp fertige Ratgeberseiten.

Defizitär ist die Agentur trotzdem immer geblieben. „Mit unserem Sanierungsplan könnten wir bis Ende kommenden Jahres auf eine schwarze Null kommen“, sagte Geschäftsführer Hub. Hub ist zuversichtlich, dass die Agentur trotz Insolvenz überlebt. Es sei entlastend, dass die nächsten drei Monatsgehälter der Mitarbeiter vom Arbeitsamt übernommen würden.

Einen ersten Interessenten an der ddp gibt es schon. Die Agentur AFP würde den Fotodienst der ddp gerne weiterführen, sagte AFP-Geschäftsführer Clemens Wortmann dem „Handelsblatt“. „Sofern der Insolvenzverwalter das erlaubt.“

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