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Eine wird gewinnen. Rebecca (links), Amelie (Mitte) und Jana sind im Finale.

© dpa

Schnitt um Schnitt: Das Make-Up macht’s

"Germany’s Next Topmodel" wird erst durch intensive Bearbeitung am Schneidetisch spannend. 75 Stunden Rohmaterial werden zu einer Sendung verarbeitet.

Am Ende läuft es doch wieder auf die alte Metzger-Frage hinaus: geschnitten oder am Stück? Es gibt Castingshows, bei denen die Kandidaten live gegeneinander antreten müssen, wie „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS). Die Kamera läuft unnachgiebig weiter, selbst wenn sich die Teilnehmer gerade zum Affen machen oder den größten Blödsinn ins Mikrofon stottern. Das andere Extrem markiert „Germany's Next Topmodel“. Mit Ausnahme des Finales lässt Heidi Klum ihre Schützlinge niemals unkontrolliert auf Sendung gehen. Was aus dem Catwalk-Camp an die Öffentlichkeit dringt, bestimmen die Macher im Schneideraum. Jede Folge besteht aus unzähligen Mosaiksteinchen, Kurz-Szenen, Interview-Schnipseln und Momentaufnahmen, zusammengesetzt in mühevoller Kleinarbeit. Hier ist alles Make-Up, alles Inszenierung.

Wenn sie stöckeln und stolzieren, wenn sie posen und patzen, sich an Hubschrauber hängen, für den Fotografen abtauchen oder dem Kunden die blendend weißen Zähne zeigen, dann mag das für Heidis Mädels unglaublich aufregend sein. Mit dem bloßen Abfilmen der Challenges und Shootings allerdings lässt sich noch keine Quote machen. Fernsehtauglich wird das ewige Üben der SchrittTechnik erst durch eine raffinierte Schnitt-Technik.

75 Stunden Rohmaterial müssen dabei für jede Zwei-Stunden-Sendung gesichtet und verdichtet werden. Drei Kameras sind den Laufstegschönheiten ständig auf den Fersen, täglich müssen die Jurymitglieder wie auch die Kandidatinnen das Erlebte kommentieren oder auf kommende Ereignisse vorausblicken. Denn die Macher möchten die Topmodel-Geschichten möglichst über Originaltöne der Beteiligten erzählen und nur im Notfall durch eine Off-Stimme.

Acht „Realisatoren“ des Produzenten sowie fünf Redakteure des Senders sind wechselnd bei den Drehs im Einsatz, haben also bereits alle Höhen und Tiefen der Woche miterlebt – und dabei ihre Lieblingsmomente gesammelt, sich eine Dramaturgie für die entsprechende Folge zurechtgelegt. Bis zu fünf Wochen dauert dann die Nachbearbeitung, drei bis fünf Cutter sind im Einsatz, bis zu 20 Schnittplätze werden parallel gebraucht, um eine erste Fassung zu erstellen, die ProSiebenSat1-Unterhaltungschef Wolfgang Link vorgestellt werden kann. „Natürlich gibt es bestimmte Bausteine, und die emotionalen Highlights sind meistens auch unstrittig“, sagt der 43-Jährige, der vor seinem Wechsel zu ProSiebenSat1 lange im Team von „DSDS“ gearbeitet hat, „aber dann gehen wir wirklich ins Detail, feilen liebevoll an jeder Szene, diskutieren alles, bis hin zur Musikfarbe, die unterlegt werden soll“.

Viel Aufwand für ein Unterhaltungsformat. Aber „Germany's Next Topmodel“ ist nun einmal ein Premium-Produkt des Privatsenders, auch was die Werbeeinnahmen betrifft. Einfluss auf Inhalt und Dramaturgie der Folgen hat die Platzierung der vielen Werbeblöcke allerdings nicht, betonen die Macher: „Die Unterbrechung erfolgt immer so, dass kein Spannungsbogen zerstört wird.“

Fast sofort nach dem Finale einer Staffel beginnt schon die Planung für die nächste. „Bereits im vergangenen Sommer haben wir unser Brainstorming mit Heidi in Los Angeles gemacht, uns überlegt, welche Prüfungen die Mädchen absolvieren sollen“, erzählt Link. Dann legt das Team der beauftragten Produktionsfirma Tresor TV mit der Planung los, bis zu 50 Personen sind jeweils am Set. Im Dezember 2010 begannen die Dreharbeiten für die aktuelle Staffel, die Mitte März startete. Jede Folge ist spätestens eine Woche vor der Ausstrahlung fix und fertig, Reaktionen auf Zuschauer-Feedback also nicht möglich. „Operationen am offenen Herzen finden nicht statt“, betont Wolfgang Link.

Umso wichtiger ist es, dass die ausgewählten Mädchen sich nicht nur bei der Haarfarbe unterscheiden. Jedes Skandälchen, jeder „Zickenkrieg“, der durch die Boulevardblätter geht, lockt zusätzliche Zuschauer an. Notfalls muss das sendereigene Society-Magazin „Red“ durch knallige Berichte nachhelfen. Und Heidi? Ist natürlich ausschließlich daran interessiert, dass die Show möglichst nahe an der Alltagsrealität des Model-Lebens bleibt, sagt Link. Und macht selbstverständlich auch keinerlei Vorgaben, wie oft und wie lange ihr berühmtes Gesicht pro Sendung zu sehen sein muss.

Wer auch immer am heutigen Donnerstag den Sieg davontragen wird, wenn Amelie (16), Rebecca (19) und Jana (20) zum Finale in Köln antreten – die Models in spe sollten sich hinterher noch einmal die Staffel anschauen und das Gesendete ganz genau mit dem Erlebten vergleichen. Wie man durch geschicktes Betonen und zweckdienliches Weglassen aus mittelmäßigem Material das Maximum herausholt, können sie hier jedenfalls lernen.

„Germany’s Next Topmodel“, Donnerstag, 09.06., Pro 7, 20 Uhr 15

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