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Medien: Schuld und Vergebung

Im neuen „Bodensee“-Tatort werden auch bei Kommissarin Klara Blum alte Wunden aufgerissen

Die Konstanzer Hauptkommissarin Klara Blum hat ein großes Herz. Täter können bei ihr stets mit Verständnis rechnen. Nur einer nicht: Als der Mörder ihres Mannes im Rahmen des „Täter/Opfer-Austauschs“ um ein Gespräch bittet, bleibt sie hart. Selbes Gefängnis, anderer Verbrecher: Auch Matthias Hecht kann bei seinem Opfer nicht auf Gnade hoffen. Er hatte vor Jahren die zehnjährige Leonie auf sadistische Weise missbraucht und vergewaltigt. Die Untat hat damals die gesamte Familie ins Unglück gestürzt. Ihr Friseursalon wird seither gemieden; Vater Hecht hat die stille Verzweiflung in den Selbstmord getrieben. Bei dessen Beerdigung auf der Insel Reichenau wird Sohn Matthias in den Kopf geschossen. Die Kugel hatte zuvor den Hals eines Gefängniswärters durchschlagen. Der Beamte stirbt noch am Tatort, bei Hecht wird kurz drauf Hirntod diagnostiziert.

In deutschen Fernsehkrimis sind in der Regel die Männer Täter und Frauen die Opfer. Hier ist es mal umgekehrt: Als Verdächtige kommen ausschließlich Frauen in Betracht. Die Schwester des Triebtäters macht keinen Hehl aus ihrem Hass auf den Bruder, auch die Mutter hegt allenfalls noch negative Gefühle. Das gilt natürlich erst recht für Leonie. Das Mädchen von damals ist mittlerweile 15 Jahre alt. Als ihre Mutter sieht, wie Leonie eine Pistole im Garten vergräbt, fasst sie einen verzweifelten Entschluss und will Hecht im Krankenhaus den Rest geben. Doch die Tatwaffe war eine ganz andere: Irgendjemand muss den Vergewaltiger noch stärker hassen als sein früheres Opfer.

Sieht man mal davon ab, dass Jürgen Bretzinger bei seiner Inszenierung einige Male zu dick aufträgt, weil er beispielsweise in emotionalen Momenten gern in die aufdringlich wirkende Großaufnahme geht, ist dieser Bodensee-„Tatort“ gerade wegen der vielschichtigen Handlung (Buch: Dorothee Schön) durchaus sehenswert. Auch diesmal aber wird der positive Eindruck gelegentlich getrübt, weil sich die Ermittler durch ihr absurdes Verhalten der Lächerlichkeit preisgeben. Nicht zu Unrecht vermutet Frau Blum (Eva Mattes), der Mörder könne die Waffe in den See geworfen haben. Also sucht die Wasserschutzpolizei sinnvollerweise das Gewässer ab – allerdings nur mit einem Taucher. Angesichts der Größe selbst des kleineren Untersees, an dem sich die Handlung zuträgt, ein absurdes Unterfangen.

Hübscher sind hingegen die Selbstzweifel von Assistent Perlmann (Sebastian Bezzel), der bei diversen Damen abblitzt, als „Schönling“ tituliert wird und schließlich in einem Uraltjackett aus der Kleiderkammer zur Beerdigung muss, weil ihn ein Schützenverein recht übel in die Mangel genommen hat. Beachtung aber verdient der Krimi wegen seines Grundthemas, der Frage nämlich, wie viel Kraft nötig ist, um seinen Schuldigern zu vergeben: Damit sie endlich ihre Macht verlieren.

„Tatort: Gebrochene Herzen“, ARD, Sonntag um 20 Uhr 15

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