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Medien: „Seele baumeln lassen …“

Warum ein Erzbischof aus Paderborn das Outsourcing bei einer Zeitung aus Münster geißelt

„Entweder es regnet oder die Glocken läuten“, so erklärt ein Münsteraner einem Auswärtigen, dass er sich zweifelsfrei in der Hauptstadt der westfälischen Provinz befindet. Doch nicht nur der späte Wintereinbruch macht diese Charakterisierung derzeit zunichte, auch die Macht religiöser Werte hat letztens stark gelitten im tief katholischen Münster. So stark sogar, dass der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker am Donnerstagabend anlässlich des Presseempfangs seines Bistums „vor Tarifflucht und ungerechter Bezahlung in der Medienbranche“ gewarnt hat. „Mit Sorge beobachte ich Leiharbeit und Outsourcing im Verlagswesen und Journalismus“, sagte Becker und forderte: „Sachgerecht, umfassend, kritisch, unabhängig berichten hat seinen Wert und braucht gerechten Lohn und nicht Tarifflucht.“

Auch wenn Becker keine Namen nannte, die Gäste des Erzbischofs wussten genau, wen er meinte. Gerade erst hat der Dortmunder Verlag Lensing-Wolff („Ruhr Nachrichten“) die komplette Lokalredaktion mitsamt Lokalsport und Redaktionssekretariat der „Münsterschen Zeitung“ („MZ“) kaltgestellt, in die Verbannung geschickt und am Ende gegen eine neue Mannschaft ausgetauscht. Nahezu aus heiterem Himmel wurden Handys gesperrt, Laptops eingesammelt und die Redakteure aufgefordert, sich doch bei der neuen Tochterfirma zu bewerben.

Für die „Münstersche Zeitung“ hatte diese Woche eine besondere Bedeutung. Der Relaunch der Zeitung versprach eine deutlich verbesserte Blattstruktur, auch das journalistische Profil sollte geschärft werden und der Internet-Herausforderung wollte man in Münster mit einem zentralen Newsroom begegnen. Im Internet wurde die Neuausrichtung mit der Werbekampagne „Seele baumeln lassen …“ begleitet, der angesichts der freigestellten Lokalmitarbeiter nun als reichlich zynisch aufgefasst wird. Zwar gilt der Zeitungskonkurrent „Westfälische Nachrichten“ vielen Münsteranern ohnehin als das besser informierte Lokalblatt. Doch was jetzt bei der „MZ“ passiert, geht den Menschen in Münster zu weit. In Behörden und kirchlichen Einrichtungen kursieren Mails, in denen dazu aufgefordert wird, „MZ“-Abos zu kündigen und als Grund den Rausschmiss der Lokalredaktion anzugeben.

Mit seiner Kritik ist der Bischof nicht allein. Für Münsters SPD-Vorsitzender Christoph Strässer ist das Verhalten des Dortmunder Verlags ein beispielloser Vorgang in der bundesdeutschen Medienlandschaft, der fassungslos mache und einen Tiefpunkt unternehmerischen Handelns markiere. Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), sagt: „Das Outsourcing hat in Münster eine neue Dimension erreicht. Lensing-Wolff hat demonstriert, wie man möglichst unsozial und skrupellos mit seinen Mitarbeitern umgeht.“

Outsourcing ist im Mediensektor durchaus gängige Praxis, wenngleich „in dieser Form einmalig“, wie es beim DJV heißt. So wurden unweit von Münster beim „Delmenhorster Kreisblatt“ ebenfalls Redakteure ausgelagert und werde nun „deutlich unter Tarif bezahlt“. Und auch bei den „Ruhr Nachrichten“, dem Schwesterblatt der „Münsterschen Zeitung“, ist Outsourcing kein Fremdwort.

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