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Seid umschlungen, Millionen: Der Fan, dein Kunde

Ganz im Sinne der werbetreibenden Wirtschaft: Facebook-Mitglieder machen sich selbst zum Werbeträger.

„Das bisschen Werbung stört mich nicht“, denken viele Facebook-Mitglieder und freuen sich, dass sie das weltweit größte soziale Netzwerk weiterhin kostenlos nutzen können. Dabei wissen die meisten von ihnen gar nicht, was für ein Schlaraffenland die Seite für viele Firmen ist: Ihnen werden bei Facebook unendlich viele Möglichkeiten geboten, problemlos an Kunden heranzukommen.

Mit unglaublichen 176 Milliarden Werbeeinblendungen im ersten Quartal des Jahres 2010 – neuere Zahlen liegen nicht vor – ist Facebook mittlerweile die größte Reklameplattform im Internet und das mit traumhaften Bedingungen für die Unternehmen. So wird seit Oktober 2007 direkt auf den Profilen der Facebook-Nutzer personalisierte Werbung veröffentlicht, die je nach Geschlecht, Alter, Beruf, Hobbys und Interessen ausgerichtet ist. Und das mit mehr als einer halben Milliarde aktiven Usern größte soziale Netzwerk der Welt, kann noch mehr. Konzerne können in Facebook eigene Applikationen entwerfen, wodurch Nutzer sich beispielsweise virtuell diverse Produkte von McDonald’s, Starbucks, Kinderschokolade oder Coca-Cola zusenden lassen können – und dabei häufig gar nicht merken, dass sie damit für die Firmen und ihre Produkte werben. Zudem können die Firmen eigene Fanseiten einrichten. Fast 24 Millionen Menschen zeigen so ihre Leidenschaft für Coca-Cola und 18,7 Millionen für Starbucks. Eine Imagewerbung, die unbezahlbar ist.

Den Wert von Marketing-Maßnahmen bei Facebook hat Ende 2010 eine in den USA durchgeführte Studie des Marktforschungsunternehmens Syncapse errechnet: Der durchschnittliche Wert eines Facebook-Fans liegt demnach für ein werbetreibendes Unternehmen bei 103 Euro. Bei McDonald’s geben beispielsweise Menschen, die auf Facebook die Seite des Fastfood-Unternehmens als Favorit gespeichert haben, pro Jahr 120 Euro mehr aus als Nicht-Fans. Über die Mund-zu-Mund-Propaganda der Fans werden wiederum neue Kunden gewonnen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Facebook-Fans entsprechende Produkte weiterempfehlen, liegt der Untersuchung zufolge um 41 Prozent höher als bei Nicht-Fans. Zudem gaben 38 Prozent der Befragten an, dass sie eher Fan einer Seite werden würden, wenn bereits ein Familienmitglied oder Freunde sich dort registriert hätten.

„Soziale Netzwerke bieten sich als Plattformen für Marketing und PR an, da sich dort User aus jüngeren Zielgruppen bevorzugt aufhalten und einen Dialog über Marken führen“, sagt Hermin Hainlein, PR-Managerin bei Coca-Cola. „Aus diesem Dialog mit Postings, Rezensionen, Kommentaren und Bewertungen können Unternehmen die Stimmung rund um eine Marke einfangen und die Bedürfnisse ihrer Konsumenten noch besser kennenlernen.“ Die Konzerne wollen entsprechend bei der meistgenutzten Internetseite Facebook präsent sein. „Da für Coca-Cola die Nähe zu den Konsumenten im Vordergrund steht, nutzen wir Facebook als eine wichtige Plattform für unsere Kommunikation.“

Allerdings wissen die Marketingverantwortlichen auch, dass der virtuelle Kundendialog auch Schwierigkeiten mit sich bringen kann. „Jedes Unternehmen und jede Marke, die sich im Social Web präsentieren, müssen sich darüber im Klaren sein, dass dort auch Kritik aufkommen kann“, so Hermin Hainlein. Solche Probleme erlebte die Firma Nestlé im Sommer 2010: Greenpeace eröffnete eine Kampagne gegen die Verwendung von Palmöl, weil dafür unter anderem der indonesische Regenwald abgeholzt werde und der dort lebende Orang-Utan bedroht sei, so die Kritik der Umweltschützer. Als einen der Schuldigen stellte Greenpeace Nestlé an den Pranger – auf Facebook-Seiten wie „Kann dieser Orang-Utan mehr Fans bekommen als Nestlé?“. Die Reaktion war für Nestlé unkontrollierbar: Die Facebook-Mitglieder veröffentlichten wütende Kommentare auf der Fanseite des Schokoriegel-Herstellers.

Trotz dieser Gefahr haben auch die großen deutschen Verlage erkannt, dass Facebook das Maß aller Dinge ist, wenn es um Werbewirksamkeit geht. Sie rechnen damit, dass bis Ende 2012 zehn Prozent der Werbeerlöse im Printgeschäft an Facebook abwandern. Dies ergab die im Sommer 2010 veröffentlichte Studie ,Bedeutung von Facebook für Verlage‘ von der OC&C Strategy Consultants GmbH Hamburg, die der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger VDZ in Auftrag gab. Andreas von Buchwaldt, der die Studie verfasst hat, sieht Facebook als den zukünftigen Meinungsmacher: „Schlagzeilen, Links zu interessanten Artikeln und Videos oder Apps werden aus Facebook heraus betrieben und größtenteils auch genutzt. Facebook zu ignorieren, bedeutet heute, in einem großen Teil der digitalen Welt nicht stattzufinden.“

Anne Kirchberg

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