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Sender: Auf Sparflamme

„Nachrichtenfernsehen“: Eine Woche mit dem neuen N 24

Nachts sind alle Katzen grau und im Sommerloch alle Nachrichtensender überflüssig. Das stimmt natürlich nur bedingt, irgendetwas geschieht immer. N 24 raffte sich am vergangenen Mittwoch sogar zu einer „Breaking News“ auf, weil auf den iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad angeblich ein Anschlag verübt worden war. Bald würde der Sender Verbindung zu einem Korrespondenten aufnehmen, versprach Moderator Thomas Klug am Mittag. Da telefonierten die Kollegen von n-tv bereits mit Antonia Rados, die zwar auch nichts Genaues über ein mögliches Attentat zu berichten wusste, aber Ahmadinedschad auf seinen Reisen durchs Land vor einiger Zeit begleitet hatte und somit die Begleitumstände einzuschätzen wusste. N 24 blieb seinem Publikum den Korrespondenten schuldig, und ob es tatsächlich einen Anschlag gegeben hatte, darüber herrscht bis heute Unklarheit. Bei N 24 einigte man sich am Mittwochabend auf die Sprachregelung, Meldungen über ein Attentat „sorgten heute für Verwirrung“. Aber ein verwirrter Nachrichtensender ist nicht gerade das, was man sich als Zuschauer erhofft.

Nein, die erste Woche mit verändertem Programmschema nach dem Wechsel der Eigentümer war nicht unbedingt die Woche von N 24. Ebenfalls am Mittwoch gönnte man sich eine Live-Schalte in die Pressekonferenz von Vizekanzler Guido Westerwelle, der nach der ersten von ihm geleiteten Kabinettssitzung stolz Hof hielt. Dummerweise holte sich der Sender dazu den Polit-Kolumnisten Hugo Müller-Vogg ins Studio, der den öffentlichen Auftritt Westerwelles kurzerhand als nichtssagend und überflüssig abkanzelte. Wohl deshalb verzichteten auch Phoenix und n-tv auf eine Live-Übertragung.

Mitte Juni hatten N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann und der ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust gemeinsam mit einigen anderen Medienmanagern den Sender übernommen. Der ProSiebenSat.1-Konzern wollte den Nachrichtenkanal loswerden und verkaufte ihn an Leute vom Fach und ausgewiesene Publizisten. Keine schlechte Lösung, dennoch muss der Sender nun mit rund 60 statt bisher 85 Millionen Euro jährlich auskommen. Es wird auf Sparflamme gekocht. Die Spuren, die das im Programm hinterlässt, sind vorerst deprimierend.

Früh-, Morgen- und Mittagsreport sind Geschichte, nun wiederholen sich zwischen 7 und 13 Uhr die Nachrichten in Viertelstunden-Schleifen. Das entspreche dem Sehverhalten der Zuschauer, die im Durchschnitt nach 15 Minuten wieder umschalten würden, heißt es zur Begründung. Eigentlich sind es, abzüglich Werbung und Programmtrailern, nur zehn Minuten, in denen rund zwölf Themen viermal in einer Stunde abgespult werden. Kurz und knapp, begleitet häufig von dürftigen Archivbildern, präsentiert nur noch von einem Moderator. Ab dem Nachmittag wird es noch dünner, Dokus, Wissensmagazine und Reportage-Formate bestimmen das Programm. Alte Folgen der Sat1-Dokuserie „Einsatz im Revier“ füllen weitere Löcher. Für Nachrichten bleiben nicht mehr als fünf Minuten zu jeder vollen Stunde. Allein das Börsengeschehen ist dank eigener Sendungen am Mittag und Abend etwas stärker im Fokus. Am Donnerstag stand Telekom-Chef Rene Obermann Rede und Antwort – das war so ziemlich der einzige eigenständige Akzent, den N 24 setzen konnte.

Rossmann und Aust versprachen, N24 stärker auf Politikberichterstattung auszurichten. „Studio Friedman“ läuft weiter, doch der Polit-Talk „Was erlauben Strunz?“ wird eingespart. „Wenn wir es uns leisten können oder Sponsoren finden, kommt es 2011 wieder“, sagt N24-Sprecherin Kristina Faßler. Von politischen Schwerpunkten im Programm konnte in der vergangenen Woche auch nicht die Rede sein. Man könnte einwenden: Es ist Sommerpause. Schon wahr, aber in derselben Woche schickte n-tv, der Konkurrent aus dem Hause RTL/Bertelsmann, Reporter in einer Reihe „Baustellen der Koalition“ los. Und am frühen Nachmittag bot n-tv in einem „News spezial“ ein vertiefendes Angebot zu aktuellen Themen wie den Waldbränden in Russland oder dem Verschließen des Öllecks im Golf von Mexiko. Zu solchen Anstrengungen ist N 24 zurzeit nicht in der Lage. Die wichtigsten Themen der Woche, die es auch in der Saure-Gurken-Zeit gibt, gingen dort im trägen Fluss der immer gleichen Meldungen unter: Nachrichtenfernsehen ohne Gewichtungen, ohne Zwischenstopp und Innehalten, ohne einzuordnen und zu hinterfragen. Immerhin, der Tages-Marktanteil liegt bisher im August mit 1,3 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen in etwa auf dem üblichen Niveau.

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