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Senta Berger: „Was lebt unser Beamtentum denn vor?“

Senta Berger über den Kampf ihrer Kriminalrätin Prohacek gegen Korruption und Rauchen im Regen

Frau Berger, Sie haben die Kriminalrätin Eva Prohacek, die gegen korrupte Beamten und bestechliche Politiker ermittelt, jetzt zum zehnten Mal gespielt. Im Augenblick gibt es ja wieder einigen potenziellen Stoff für „Unter Verdacht“. Post-Chef Zumwinkel ist abgeführt worden, weil man ihn der Steuerhinterziehung verdächtigt.

Das ist vollkommen richtig. Wir nehmen auch viel aus der Presse. Da ist mittlerweile eine Öffentlichkeit und eine Transparenz entstanden, die in den Sechziger Jahren gar nicht möglich war. Damals wurde im Umgang mit hochgestellten Persönlichkeiten viel unter der Decke gehalten. Jetzt kommen solche Sachen eher raus. Es ist allerdings schwierig, Autoren dafür zu finden, weil es leichter ist, einen Tatort zu schreiben als eine Folge von „Unter Verdacht“. Politische Inhalte mit Unterhaltung zu verbinden und dann auch noch spannend, das ist eine Herausforderung. Oft sage ich auch: Das müsst ihr mir noch einmal erklären.

Sind Sie manchmal überrascht von der kriminellen Energie, die hinter solchen Fällen steckt, gerade weil sie oft real sind?

Soll ich Ihnen mal was erzählen? Wir drehen ja in München im Kreisverwaltungshaus, das nennt sich Technisches Rathaus. Dort werden auch Führerscheine vergeben. Seitdem wir dort drehen, ist eine ganze Abteilung aufgeflogen, die diese Führerscheine verkauft hat – für 4000 Euro das Stück. Außerdem flogen in der Bauabteilung zwei, drei Leute auf, die Verwandten Bauaufträge vermittelt und Scheinfirmen gegründet hatten. Die Frage ist immer: Was lebt unser Beamtentum uns Bürgern vor?

Hat Eva-Maria Prohacek mittlerweile mit dem Rauchen aufgehört?

Wir wissen es selber nicht. Um die Figur zu charakterisieren, finde ich das Rauchen als Stilmittel nicht schlecht. Wir haben aber versucht zu zeigen, dass das kein glückliches Rauchen ist, kein entspanntes, wie man das beim einsamen Marlboro-Cowboy sieht. Es sollte immer ein Zeichen von Anspannung sein. Ich verzichte eigentlich sehr ungern darauf. Aber ich habe mittlerweile einige Briefe von Schulleitern bekommen, die meinten, ich sei mir meiner Vorbildfunktion wohl nicht bewusst und gerade jetzt hätte ich dank des Rauchverbots eine gute Möglichkeit, einen Absprung zu wählen.

Und? Haben Sie die Möglichkeit genutzt?

Nein, nein, nein. Ich glaube, bei der aktuellen Folge haben wir das sehr stark dezimiert. In den kommenden Folgen wird das Rauchen wieder eingeführt. Als etwas sehr Schuldbeladenes allerdings, was Prohaceks Assistent Langner immer wieder versucht zu korrigieren. Das gibt ihm eine Funktion des Erziehers. Die Prohacek wiederum kann das nicht vertragen. Das Rauchverbot werden wir ganz realistisch spielen. Ich sehe die Figur schon draußen im Regen stehen...

Die Prohacek ist eine der ranghöchsten Ermittlerinnen im deutschen Fernsehen. Macht die Sendung Frauen Mut zu Kriminalerkarrieren?

Es werden tatsächlich immer mehr Kriminalrätinnen berufen, habe ich mir sagen lassen. Meist sind das Frauen, die Psychologie studiert haben oder Soziologie. Sehr ehrgeizige Frauen, die sich etwas behalten haben, was man bei Männern vielleicht nicht immer voraussetzen kann: Intuition und Beobachtungsgabe.

Eva Prohacek ist erfolgreich, aber sie ist einsam. Das entspricht dem Klischee der Karrierefrau...

Ich glaube, dass wir das Klischee nicht exzessiv bedienen. Man erfährt in den ersten Teilen, dass sie geschieden ist und dass ihr Sohn bei einem Autounfall ums Leben kam. Wenn man die ersten Folgen nicht kennt, fragt man sich natürlich: Warum ist die immer so alleine? Macht die Wohnungstür auf und da ist kein Mensch. Ich finde es aber ganz schön, wenn eine Figur nicht so viel Privatleben hat. Sonst schleppt man das von Folge zu Folge mit und muss es immer wieder erzählen. Sie hat sich auch schon mal in einen CIA-Beamten verliebt. Man kann das gelegentlich aufgreifen. Aber sie muss keinen ständigen Freund haben. Außerdem kann man mit einem Freund auch furchtbar einsam sein.

Da sprechen Sie aber nicht aus Erfahrung...

(lacht milde) Nein.

Sehen Sie „Unter Verdacht“ im ZDF eigentlich in Konkurrenz zum ARD-„Tatort“?

Die Geschichten, die wir erzählen, sind anders als die „Tatort“-Geschichten. Unsere Geschichten kommen alle aus Politik und Gesellschaft. Es geht nicht nur um Mord und Totschlag. Morde sind immer eingebunden in eine politische Situation. Wir versuchen dafür auch optisch eine andere Form zu finden.

Ein Regisseur hat es einmal als „altmodisch“ bezeichnet, wie die Prohacek ermittelt.

Er hat das in Abgrenzung zu den ganzen amerikanischen Serien gemeint. Die ermüden mich auf Dauer. Am Anfang denkt man immer: „Wusch, bumm, guck was die machen. Hier schon der nächste Trick.“ Irgendwann ist es wahnsinnig fad. Ich glaube nicht, dass man „Unter Verdacht“ so aufmotzen muss. Die Geschichten sind stark genug.

Das Zuschauerinteresse an der Reihe lässt nicht nach. Liegt dass auch daran, dass die Guten nicht immer gewinnen? Schätzen die Leute das, weil es wirklichkeitsnahe wirkt?

Mir gefällt das. Ich finde es gar nicht so interessant, wenn immer die Polizei gewinnt. Entweder fällt der Held oder er fällt sich selbst. Das ist das Unbürgerliche dabei. Wenn der korrupte Vorgesetzte der Prohacek für seinen üblen Opportunismus tatsächlich bestraft würde, dann wäre die Serie aus. Dann habe ich niemanden mehr. Er verkörpert das Listige, das Schlaue. Die Leute kommen oft zu mir und sagen: Wir lieben dieses Schwein. Da freut sich Gerd Anthoff, der ihn spielt, natürlich. Wir werden es also ein paar Folgen lang noch so machen.

Das Interview führte Johannes Gernert.

„Unter Verdacht: Das Geld anderer Leute“, ZDF, 20 Uhr 15

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