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Serdar Somuncu moderiert „Die Blaue Stunde“ bei Radio Eins und „So! Muncu!“ bei n-tv.

© n-tv

Serdar Somuncu zum Erdogan-Besuch: „Warum nehmen Can Dündar und Deniz Yücel nicht am Bankett teil?"

Kabarettist und Moderator Serdar Somuncu über Erdogan in Deutschland, deutsche Türkei-Politik und zu wenig Demokratie in der Türkei. Ein Interview.

Herr Somuncu, der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kommt zum Staatsbesuch nach Deutschland. Finden Sie die Einladung empörend?

Ich hätte sie nicht ausgesprochen. Jemand, der mir in den Flur kackt, kann nicht mit mir am Tisch zu Abend essen.

Für zahlreiche in Deutschland lebende Türken ist Erdogan ein respektabler Politiker, wenn nicht ein großer Führer. Ist diese Perspektive nur falsch?

Das Wort „Führer“ hat schon die entsprechende Konnotation, die man braucht, um diesen masochistischen Fetisch zu begreifen. Nur ein Volk, das orientierungslos ist, lässt sich gerne führen. Erst wenn man weiß, was die Freiheit des Wortes wert ist, ist man auch bereit, sie um jeden Preis in Schutz zu nehmen. Es gibt auch Türken, die Erdogan und seiner Politik kritisch gegenüberstehen, ohne gleich Terrorist oder Staatsfeind zu sein. Das nennt man Demokratie und davon gibt es zur Zeit in der Türkei definitiv zu wenig.

Was ist Ihre Sicht auf das deutsch-türkische Verhältnis?

Mittlerweile pessimistisch. Es gibt nur noch Extreme. Die Menschen stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Minderwertigkeitsgefühle bestimmen den Dialog mehr als rationale Vernunft und Ausgewogenheit. Das bringt nur denen etwas, die solche Stimmungen ausnutzen wollen. Ich habe mir deshalb abgewöhnt, solche Debatten aus der Perspektive nationaler Zugehörigkeit zu führen. Ich arbeite daran, mich weder deutsch noch türkisch zu fühlen.

Deniz Yücel und Can Dündar üben immer wieder Kritik an der ihrer Meinung nach laschen Haltung der Bundesregierung zu Erdogan. Haben die Journalisten recht?

Die Bundesregierung hat schon längst aufgegeben, Politik nach den Interessen aller Menschen in diesem Land zu machen. Stattdessen treibt sie von Provisorien und Skandalen zu leeren Verkündungen. Aus dem „Wir schaffen das“ ist schon längst ein „Wie schaffen wir uns das Flüchtlingsthema vom Hals“ geworden. Das Versagen der Etablierten ist ein gefundenes Fressen für die Apologeten der AfD. Zusatzfrage: Warum nehmen eigentlich Can Dündar und Deniz Yücel nicht am Bankett teil?

Was würden Sie Erdogan fragen, wenn Sie Gelegenheit zum Gespräch hätten?

Ob er nicht seinerzeit auch Gülen-Befürworter war, als die beiden noch Kumpels waren.

Die Oppositionsparteien im Bundestag bis hin zur AfD wollen das Staatsbankett boykottieren. Der Grüne Cem Özdemir aber geht hin. Wer handelt angemessen?

Derjenige, der Appetit auf ein Henkersmahl hat.

Schon am Dienstag sprechen Sie in der Sendung „So! Muncu!“ über den Erdogan-Besuch. Illustre Runde mit Rapper Chefket, Bloggerin Sophie Passmann – aber mit nur einer Politikerin, Daniela de Ridder von der SPD. Steckt da ein politischer Boykott Ihrer Sendung drin?

Die meisten Politiker scheuen eine Auseinandersetzung, die für sie und ihre Umfragewerte unberechenbar ist. Deshalb meiden sie gerade im Umfeld solcher Ereignisse einen Besuch bei jemandem, der unangenehme Fragen stellt. Unsere Sendung ist dafür da, diese Verlogenheit aufzudecken. Wäre Politik ehrlich, müssten wir unsere Sendung nicht machen.

Serdar Somuncu, geboren in Istanbul, ist ein deutscher Kabarettist, Autor und Politiker. Er moderiert „Die Blaue Stunde“ bei Radio Eins und „So! Muncu!“ bei n-tv. „So! Muncu!“, n-tv, am Dienstag, 23 Uhr 10. Das Interview führte Joachim Huber.

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