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Nicht vorgeführt. In „Shabab Talk“, einer von Deutsche Welle TV produzierten Sendung, hat sich Omar Sharif jr. geoutet. In Ägypten werden Homosexuelle verfolgt.

© Deutsche Welle

"Shabab Talk": Stimme der Jugend

„Shabab Talk“ hat Millionen Fans im arabischen Raum. Produziert wird die Sendung in Berlin von der Deutschen Welle.

Neulich saß Omar Sharif bei Jaafar Abdul Karim in der Sendung „Shabab Talk“, genauer gesagt: Omar Sharif junior. Sein weltberühmter Großvater war da gerade drei Wochen tot. Es soll der erste Fernsehauftritt des 31-Jährigen gewesen sein, der in Los Angeles als Model und Schauspieler arbeitet. Nicht, weil er noch nie eingeladen worden sei, sondern weil er TV-Talks bisher immer abgelehnt habe, sagt Abdul Karim. Aber „Shabab Talk“, einer wöchentlich von Deutsche Welle TV produzierten Sendung, habe Sharif junior vertraut. „Er wusste, dass die Sendung seriös ist und er hier nicht vorgeführt wird.“

Omar Sharif junior ist schwul. Geoutet hat er sich bereits 2011, während des Arabischen Frühlings, in einer Zeitung. Aber im Fernsehen gesprochen hat er darüber noch nie. Jetzt saß er dem jungenhaften Moderator in einem nüchternen Fernsehstudio in Berlin gegenüber, der ihm die Fragen auf Arabisch stellte, während er selbst auf Englisch antwortete (was simultan von einem Dolmetscher ins Arabische übersetzt wurde) und für religiöse und sexuelle Toleranz warb. „Ich bin in erster Linie ein Mensch“, sagte er. Und erzählte, dass seine sexuelle Ausrichtung in seiner Familie nie ein großes Thema gewesen sei, auch seinen Großvater soll das nicht gestört haben. Und das, obwohl in Ägypten Homosexuelle schon immer verfolgt und unter schwere Strafen gestellt wurden. Unter Präsident Abdel Fattah al Sisi hat sich die Situation für sie noch einmal verschärft.

Allein in Ägypten hat "Shabab Talk" vier Millionen Zuschauer

Während das interaktive Talkformat der Deutschen Welle hierzulande so gut wie unbekannt ist, ist „Shabab Talk“ im arabischen Raum eine der erfolgreichsten TV-Sendungen, die von Millionen Menschen, vor allem jüngeren, gesehen wird. Allein in Ägypten hat sie jede Woche vier Millionen Zuschauer.

Die Sendung zeigt, dass die Meinung in der Bevölkerung und vor allem bei den jungen Leuten meilenweit von der Politik ihrer Länder entfernt ist. Denn „Shabab Talk“ diskutiert gesellschaftskritische Themen, über die man im arabischen Raum eigentlich nicht reden darf – und schon gar nicht öffentlich: Menschenrechte, Presse- und Meinungsfreiheit, Religion, Sex außerhalb der Ehe, Homosexualität. Das trifft einen Nerv und kommt unglaublich gut an. Und so fand auch das Interview mit dem Enkel des verstorbenen ägyptischen Weltstars ein enormes, meist positives Echo, vor allem in der Zielgruppe der 18- bis 30-Jährigen, erzählt Abdul Karim. Bereits nach wenigen Stunden hatte die Sendung online mehr als 100 000 Klicks, drei große Sender in Ägypten, Tunesien und Libanon übernahmen das Interview, und zahlreiche Webseiten brachten umfangreiche Zitate aus dem Gespräch.

„Shabab“ heißt Jugend. Doch die Bezeichnung „Jugend-Talk“ führt in die Irre. Denn „Shabab Talk“ ist eine hochpolitische Gesprächssendung, die ihresgleichen sucht. Kein anderer Auslandssender mit arabischer Redaktion bietet in seinem Programm etwas Ähnliches wie „Shabab Talk“. „Sie ist zur Stimme der arabischen Jugend geworden“, sagt Abdul Karim. Im Mai wurde sie beim Festival des arabischen Radios und Fernsehens der Arab State Broadcasting Union (ASBU) in Tunesien als beste Talkshow mit Gold ausgezeichnet.

Entwickelt wurde sie 2011 von der arabischen Redaktion der Deutschen Welle in der Berliner Voltastraße, um vor allem den jüngeren Leuten in den brodelnden arabischen Ländern ein Forum zu bieten, durch die gerade der Arabische Frühling wehte. Abdul Karim war an der Entwicklung der Sendung beteiligt und moderiert sie seitdem. Keine Frage, dass der Erfolg der Sendung maßgeblich mit seiner Person zusammenhängt.

Geboren wurde er 1981 in Monrovia im westafrikanischen Liberia, seine Eltern stammen aus dem Libanon. Er wuchs im Libanon und in der Schweiz auf, zog 2001 nach Deutschland, studierte an der TU Dresden und in Lyon und absolvierte einen Regiekurs an der London Film Academy. Dementsprechend viele Sprachen spricht er und fühlt sich ebenso in der arabischen wie in der westeuropäischen Welt zu Hause.

Er versteht seine Gäste, nicht nur sprachlich, hält sich mit seiner eigenen Meinung aber zurück. „Ich konfrontiere sie mit Fakten, will sie aber nicht belehren und respektiere ihre Meinung, auch wenn es nicht meine eigene ist“, sagt er. Im November letzten Jahres wurde er als erster Mann mit arabischen Wurzeln sogar zum UN Women Botschafter ernannt.

Um noch näher an seinen Zuschauern zu sein, geht Abdul Karim mit „Shabab Talk“ nun auch auf Reisen: Erste Stationen waren Bagdad und Tunis, am 2. Oktober folgen Marokko, am 25. Oktober Ägypten, im November geht es in den Libanon, im Dezember nach Jordanien. Unterstützt wird die Tour vom Auswärtigen Amt, produziert wird immer mit einem Partnersender vor Ort, der bei der Organisation hilft und die Sendung auch ausstrahlt, die Inhalte bestimmt jedoch allein die Redaktion von „Shabab Talk“.

Die Tour ist nicht ganz ungefährlich, sowohl für die Gäste als auch für das „Shabab“-Team, denn die Regierungen dieser Länder gehören nicht gerade zu den Fans der Sendung. In Bagdad wurden aufgrund der unübersichtlichen Sicherheitslage Team und Gäste streng von Sicherheitskräften bewacht, während am Tisch verblüffend offen über mangelnde Meinungsfreiheit, Korruption und die Unfähigkeit der Politiker diskutiert wurde. „Ich würde auch einen Juden oder Atheisten wählen, wenn er gut für unser Land wäre“, sagte ein 25-jähriger gläubiger Muslim unter großem Applaus. Was einem durch solche Äußerungen in arabischen Ländern passieren kann, beweist nicht zuletzt das Schicksal des inhaftierten und zu 1000 Peitschenhieben verurteilten saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi.

Den Talk gibt es bislang nur auf Arabisch

Leider gibt es „Shabab Talk“ nur auf Arabisch. Dabei wäre die Sendung, versehen mit Untertiteln, auch für den deutschen Sprachraum eine Bereicherung. So wie das gesamte Sendekonzept eine Bereicherung unseres Talkshow-Karussells wäre, in dem sich die immer gleichen Politiker, Schauspieler, Comedians und weitere Vertreter unserer Spaßgesellschaft drehen. Denn ein Format wie „Shabab Talk“ gibt es auch im Deutschen Fernsehen nicht. Weit und breit keine Sendung, in der junge, überwiegend unprominente Leute unter 30 ernsthaft über Politik diskutieren. Es wird Zeit, dass sich hier was ändert.

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