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Medien: „Sie labern direkt in den Papierkorb“

Manna für das Bürovolk: Wie die Comedy „Stromberg“ das Angestelltendasein erleichtert

„Hallo again“, da ist er also wieder. „Das ist eine Entscheidung von ganz oben“. Bernd Stromberg weiß, wie so was läuft. „Wie ’ne Katze: Wenn man denkt, is’ Feierabend, hab’ ich immer noch fünf, sechs Leben in der Hinterhand.“ Abgestiegen bis ins einsame Kellerarchiv der Capitol-Versicherung, darf Stromberg jetzt wieder zurück in seine alte Abteilung Schadensregulierung M-Z. Denn der neue Verwaltungsdirektor Wehmeyer (Simon Licht) kennt sich aus in den modernen Zeiten: Wer im Fernsehen ist, darf nicht im Archiv versauern. Stromberg sei für die Versicherung eine „Identifikationsfigur der internen und externen Wahrnehmung.“

Der Rahmen ist gesetzt. Nahtlos kann der Serienheld weitermachen, wo er als Chef aufhörte. Ralf Husmann, der schon die Serie „Anke“ mit Anke Engelke als Talk-Show-Moderatorin geschrieben und produziert hat, ist inzwischen ein erfahrener Autor und Produzent mit viel Gespür für Timing und Pointen geworden. Er liebt solche Selbstpersiflierung des Fernsehens als Fernsehen. Augenzwinkernd schickt er seine Plots in die Schleife des Selbstreferentiellen. Schon durch diese Klugheit unterscheidet sich „Stromberg“ auffällig vom sonstigen zähen Comedy-Brei.

Und durch Christoph Maria Herbst! Wieder gibt er Bernd Stromberg so hinreißend, dass man Sorge haben muss, er verschmelze mit der Rolle. Ob er durch die Hydrokultur lugt oder in den Kartons fürs Kopierpapier steht – alles stimmt: die Maske sowieso, aber auch die zu großen Worte und schiefen historischen Vergleiche, die beifallheischende Jovialität, erst recht die schmierigen Gesten und Grabscher, mit denen er etwa bei der attraktiven neuen Mitarbeiterin Jennifer (Milena Dreißig) landen will. Als er sich ein Herz fasst, schafft er es bis zum Kompliment: „Andere müsste ich mir so schön saufen, wie Du schon bist.“

Zugleich ist die Ensemble-Leistung ausgewogener geworden. Nebenfiguren wie Tanja (Diana Staehly) und Ulf (Oliver Wnuk), die nun endlich zusammenziehen wollen, weswegen der Beau des Büros sogar seine Sammlung von 126 Bierdosen aufgegeben hat, gewinnen unaufdringlich an Profil; die korpulente Betriebsnudel Erika (Martina Eitner-Acheapong) will Betriebsrat werden; Berthold „Ernie“ Heisterkamp (Bjarne I. Mädel) wurde durch den plötzlichen Tod seiner Mutter aus dem seelischen Gleichgewicht geworfen, erst sein „Supermann-Kostüm“ beim betriebsinternen Karneval indiziert das Ende der Depression.

Wieder thematisieren die Figuren die mitlaufende Kamera und erklären dem Zuschauer in Einzelinterviews ihr Handeln. Durch diesen pseudo-dokumentarischen Kniff von beinahe Brecht’scher Verfremdung werden die Charaktere erst recht profiliert.

Natürlich ist das Büro die Hölle. Heute müsste Dante nur einmal quer durchs Treppenhaus. Was Menschen einander antun können, hier tun sie es. Alle Abgründe und Dissonanzen tun sich auf. Und unangefochten thront mittendrin Bernd Stromberg, ein Ekel in würdiger Nachfolge aller TV-Alfreds. Nur Insider stören sich daran, dass vieles von der BBC-Serie „The Office“ abgeschaut ist.

„Büro ist wie Jazz“, sagt Stromberg weise, „nur ohne Musik.“ Und der Chef? Nun, der weiß natürlich: „Der Chinese schläft nicht“ und: „Fingerspitzengefühl ist ja das A und O“. Wie Moses muss er das Bürovolk aus dem Jammertal führen, mit einem heiteren „Eiter weiter!“ die „typisch deutsche Nörgelei“ überwinden, raffiniert mit „Zuckerbrot und Spielen“. Stromberg ist ein „Entertainer mit Schreibtisch“, schließlich haben die Sklaven auf den Baumwollfeldern doch auch gesungen. Nur ein beliebter Chef macht etwas falsch, der „kann auf seiner Nase gleich ’ne Diskothek eröffnen, wo alle rumtanzen“. Selber bis zum Anschlag inkompetent, hat er allen Untergebenen stets zu bedeuten: „‚Kann nicht’ steht auf der ‚Will nicht’-Straße.“ Am besten macht er es wie der liebe Gott: „selten da und trotzdem ein gutes Image“.

Für all das gibt es inzwischen eine durch eifriges Merchandising, das vom PC-Spiel („Stromberg – Büro ist Krieg“) über Briefpapier und Wandkalender bis zum Wörterbuch („Chef – Deutsch / Deutsch-Chef, siehe Kasten) reicht, aufgeladene Fankultur, die demnächst die realen deutschen Büros aufrollen wird.

Warum aber interessiert uns dieser Stromberg, ja mögen wir ihn sogar? Allen Pubertierenden wird eingeredet, sie sollen nur sie selber sein, nicht achten auf das, was die anderen sagen. Erst der sozialisierte Mensch weiß, dass all das andere, die Normen und gesellschaftlichen Maßstäbe eingehen ins Individuum. Die Gesellschaft formt. Diesen Stromberg aber eben nicht. Er sprengt die Konvention – nicht weil er ein revolutionäres Programm hat oder ehrgeizige Ziele, sondern weil er keine Grenzen kennt. Er schleimt nach oben, tritt nach unten, lügt, um sich selbst in Szene zu setzen, baut Kartenhäuser der Behaglichkeit. Er agiert ohne Facon und Kontrolle. Er sagt, was man einfach nicht sagt – und wir können uns schämen für seine Peinlichkeit. Aber – ehrlich gesagt – das entlastet uns auch. Selbst im gemeinen Gernegroß steckt doch das kleine Würstchen Mensch.

„Stromberg“ – acht neue Folgen und ein „Best of“ ab heute 22 Uhr 45 Uhr auf Pro 7

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