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Medien: Sie liebt mich, sie liebt mich nicht…

„Die Freunde der Freunde“: Dominik Graf adaptiert Novelle von Henry James

„Diese Dreiecks-Liebesgeschichte mit möglicher übersinnlicher Variante habe ich seit dem ersten Lesen als enorm modern empfunden. Es geht ja nicht darum, dass wir an Gespenster glauben und an Leute, die mit Laken herumlaufen und Buuhh rufen,“ sagt Regisseur Dominik Graf. Die Geschichte, die Henry James erzählt, stehe für diese Unerreichbarkeit des Anderen, und die Furcht davor, dass der Andere vielleicht besser bei jemand anderem aufgehoben wäre. Dominik Graf ist ein mehrfaches Wagnis eingegangen: Er hat eine kleine, kurze Novelle von Henry James, die in Londoner Adelskreisen des 19. Jahrhunderts spielt und etwa 150 Jahre alt ist, ins Heute, ins Hier und Jetzt verlegt, und er hat sie abermals, wie zuvor schon seinen Kinofilm „Der Felsen", mit digitaler Videotechnik verfilmt, also mit einer kleinen, verwackelten, verkanteten Handkamera. Fiebrig, flirrend, schier fantastisch, beinahe sind sie denn auch, diese Bilder, in denen sich „Die Freunde der Freunde" (ARD, 20 Uhr 15) unsicher bewegen. Bilder ohne Halt, ohne Boden, vielleicht mit einem Aufschrei nach Stabilität.

Abiturient Gregor (Matthias Schweighöfer, „Soloalbum") verliebt sich in die mystisch-mysteriöse Billie (Sabine Timoteo, „In den Tag hinein"), die wie eine Fee mal in seinem Leben auftaucht, mal verschwindet. Ihr Weg ist ohne Anfang und ohne Ende, schon gar ohne Ziel. Man kann sie nicht fassen, und Gregor wird an ihr zerbrechen. Arthur (Florian Stetter, „Riekes Liebe") hingegen, Gregors freiheitsliebender Kumpel, weiß, wie man(n) mit Frauen umzugehen hat. Er ist zurzeit mit Pia (Jessica Schwarz, „Nichts bereuen") zusammen, die eher noch so bodenständig ist wie Gregor, ganz erdig. Eigentlich, ja eigentlich würden Arthur und Billie, Gregor und Pia viel besser zusammenpassen, Gleiches mit Gleichem eben. So sind es die Gegensätze, die sich zwar magisch anziehen, aber auch ins Verderben führen.

„Es ist der klassische Reigen: Die Figuren fliehen zueinander und auch voneinander weg, sie rennen den Phantomen hinterher - aber so ist das nun mal im Leben. Und: Vertrauen haben wollen, sehnsüchtig sein, aber nicht vertrauen können – das, finde ich, ist eine moderne Beziehungsproblematik." Dominik Graf ist die Adaption des James-Stoffes, zusammen mit seinem langjährigen Co-Autor Markus Busch, scheinbar mühelos gelungen, wenngleich dahinter ein gehöriger Kraftakt stecken muss.

Doch davon ist auf dem Bildschirm nichts zu sehen. Dominik Graf betreibt Seelenforschung, wie so oft, und er tut dies mit einer Akribie, die auf den ersten Blick, gerade durch den lockeren Look, nicht erkennbar ist. Der 50-jährige Regisseur seziert die Liebesnöte, die Liebessehnsüchte dieser 18-Jährigen, als ob er einer von ihnen wäre. Und manchmal, da wirken diese fahrigen Bilder von Kameramann Hanno Lentz wie aus dem Leben gegriffen, so, als ob sie gerade hier um die Ecke geschehen und dort eingefangen worden wären. Als ob die verhuschte Billie gerade an einem vorbeigeschneit wäre. So hat dieses Henry James-Märchen hier durchaus etwas Authentisches, Unmittelbares.

Dass er nach dem „Felsen" nun wieder für das Fernsehen dreht, nach dem heutigen ARD-Film „Die Freunde der Freunde" auch schon „Hotte im Paradies" abgedreht hat, das stört Dominik Graf nicht im Geringsten. Warum auch? Dass sich zwischen dem Kino-Angebot und den Fernseh-Programmen die Qualitätsfrage längst nicht mehr zu Gunsten der Leinwand entscheiden lässt, das weiß Graf, der mit „Deine besten Jahre" (1998) zweifellos einen der derzeit besten deutschen (Fernseh-)Filme inszeniert hat, nur allzu gut: „Ich finde es schade, dass Fernsehfilme noch immer als Fernsehfilme etikettiert werden. Kino und Fernsehen, das ist noch immer wie ein Erwachsenen- und ein Kinderwettbewerb, das ist noch immer ein starkes Zweiklassensystem, das man eigentlich mal unterlaufen müsste, weil es einfach nicht mehr stimmt.“ Natürlich, Leinwand und Bildschirm, da sei das eine die Oper und das andere die Schallplate - „aber die Musik ist trotzdem dieselbe." Sagt Dominik Graf und hat verdammt Recht.

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