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Für Muslimbrüder und andere Oppositionelle in Ägypten ist Präsident Sisi nicht nur auf Facebook ein „Vampir“.

© Tsp

Sisi-Besuch in Berlin: Flashmob für den Präsidenten

Wenn die Bilder im Fernsehen stimmen, kann beim Rest nur wenig schief gehen? Die ägyptische Opposition setzt zum Sisi-Besuch in Berlin auf soziale Netzwerke.

Tahrir-Platz im Berliner Regierungsviertel? Beim Besuch des ägyptischen Präsidenten wäre dies mehr als nur unangenehm für den Gast und die Gastgeber. Die Visite von Abdelfatah al Sisi in Berlin am Mittwoch und am Donnerstag soll für beide Seiten perfekte Bilder liefern, ausdrücklich nicht nur für die ägyptischen (Staats-)Medien. Die mediale Deutungshoheit möchte die ägyptische Opposition, vor allem die Muslimbruderschaft, allerdings nicht kampflos den Staatsmedien überlassen. In Berlin hat diese die Chance, ihre Botschaft medienwirksam zu verbreiten. Für die Tage rund um den Sisi-Besuch wurden bei der Polizei ein Dutzend Pro- und Contra-Sisi Veranstaltungen angemeldet. Die Hungerstreiks, Sit-ins und Flashmobs der ägyptischen Opposition konzentrieren sich aufs Regierungsviertel, wo Sisi unter anderem auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel treffen wird.

„In Ägypten wurden unsere Medien und Satellitensender geschlossen“, sagt Ali al Awady Vorsitzender der oppositionellen „Deutsch-Ägyptischen Union für Demokratie“ in Berlin. Er und andere Oppositionelle wollen „das Theaterstück in Berlin“ stören. „Wir nutzen dafür die sozialen Medien und erstellen auch Beiträge, die wir an Fernsehsender weitergeben.“ Vor allem Nachrichtensender aus der Türkei und der katarische Fernsehsender Al Dschasira senden gerne die verwackelten Handyfilmchen. Die Aktivisten haben in Berlin „Überraschungen fürs Programm“ angekündigt.

Mit Sisi kommen rund 50 ägyptische Journalisten nach Berlin

Bilder von demonstrierenden Muslimbrüdern wird es im ägyptischen Staatsfernsehen nicht geben. Eman El Bakry ist Korrespondentin der staatlichen Nachrichtenagentur „Mena“: „Die deutschen Politiker, die mit uns gesprochen haben, berichten positiv über die deutsch-ägyptischen Beziehungen.“ Mit Sisi kommen rund 50 ägyptische Journalisten nach Berlin. Bakry bedauert, dass so viele Kundgebungen im Regierungsviertel geplant sind: „Man hätte zumindest dafür sorgen müssen, dass die Kundgebungen an einem anderen Ort in Berlin stattfinden.“

Bei der Inszenierung der deutsch-ägyptischen Freundschaft spielen zwar Bilder die Hauptrolle, gute Geschichten machen aber auch Quote. Die regierungsnahe Boulevardzeitung „Youm 7“ strickte im Vorfeld kräftig an Verschwörungstheorien. „Der große Komplott gegen Sisi in Deutschland“, titelte die Zeitung und knüpfte ein Netz von „Ägypten-Hassern“ zwischen Berlin, Ankara und Doha. Die Regime der Muslimbrüder in der Türkei, in Katar und im Westen hätten Druck auf die deutsche Regierung ausgeübt, um Präsident Abdelfatah al Sisi die Bilder zu verwehren, die er so dringend haben möchte. Das weltweite Netzwerk der Muslimbrüder hätte „eine enorme Summe“ investiert und in Deutschland mehrere Treffen abgehalten, um den Besuch des Präsidenten zu sabotieren.

Nähe zu den Muslimbrüdern

Auch die Gegenseite versucht laut anzuschreiben. Al Dschasira zum Beispiel ist bekannt für seine Nähe zu den Muslimbrüdern. Der Sender aus Doha wartet nicht erst auf die von der Opposition selbst gedrehten Videos. Für einen Beitrag auf dem Internetportal jazeera.net wurde Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) interviewt. Roll steht dem Regime in Ägypten kritisch gegenüber. Die SWP ist im Berliner Regierungsviertel eine respektierte und gefragte Forschungseinrichtung, doch im Beitrag wird dem arabischen Leser suggeriert, dass die SWP ein bisschen mehr ist. „Die wichtigste Forschungsinstitution in Deutschland und Europa, die sehr nah an den Entscheidungsträgern in allen Hauptstädten des Westens ist“, steht im Artikel von Al Dschasira. So bekommen die kritischen Analysen des Wissenschaftlers einen zusätzlichen Dreh. Dem Leser wird nahe gelegt, dass Roll der Kanzlerin quasi ins Ohr flüstert, was die SWP höchstens über ihre Studien indirekt macht. Der Beitrag wurde in den Sozialen Medien tausendfach geteilt und kommentiert.

„Mir ist wichtig, der arabischen Öffentlichkeit zu zeigen, dass der Umgang mit dem Sisi-Regime in Deutschland sehr kritisch diskutiert wird", sagt Roll. Der Administration von Sisi ginge es um die Inszenierung in der deutschen Hauptstadt: „Nach Innen möchte Sisi signalisieren, dass er mit etablierten Staatschefs wie Merkel und Hollande auf Augenhöhe sprechen kann. Ein perfekter Staatsbesuch ist aber auch ein wichtiges Signal an die Investoren: Ägypten ist ein guter Partner des Westens.“ Wenn die Bilder im Fernsehen stimmen, kann beim Rest nur wenig schief gehen.

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