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FIA-Präsident Mosley gewinnt Prozess gegen Boulevardzeitung

© Foto. dpa

Skandal um den Fia-Chef: Sex und eine Lüge

Fia-Chef Max Mosley erhält den höchsten Schadenersatz der britischen Pressegeschichte - 77.000 Euro. Der Rennsportfunktionär war nie bei einer „Nazi-Orgie“ – und klagt bis nach Straßburg.

Das vergangene Frühjahr war die dunkelste Zeit im Leben des Max Mosley. Der Chef des Automobil-Weltverbandes Fia wurde heimlich gefilmt, wie er Prostituierte besuchte. Auf Zeitungsseiten und im Internet gingen die Bilder um die Welt. Weil bei den Sexpraktiken Peitschenschläge, Uniformen, Streifenkleidung und ein paar Worte Deutsch eine Rolle spielten, hatten die Boulevardblätter schnell einen Namen für den vermeintlichen Skandal: „Nazi-Sex-Orgie“.

Mit Sex und Peitsche hatte das Ganze durchaus, mit „Nazi“ nichts zu tun. Und ein Skandal war es auch nicht, weil ein Prostituiertenbesuch nach den Moralstandards der westlichen Welt Privatsache ist. Sexuelle Vorlieben sind egal, solange sich ein Funktionär wie Mosley in der Öffentlichkeit nicht als großer Saubermann oder Moralapostel aufspielt. Das hat er nicht.

Also stritt er und gewann. Die britische Justiz sprach ihm den höchsten Schadensersatz der Pressegeschichte zu, 60 000 Pfund (rund 77 000 Euro); niemand darf mehr behaupten, die Sado-Maso-Veranstaltung in einem Londoner Keller hätte etwas mit den Nationalsozialisten zu tun. Auch in Deutschland zog er gegen die Verlage zu Felde und vor Gericht. 45 Einstweilige Verfügungen sind ergangen, 50 freiwillige Unterlassungserklärungen (auch vom Tagesspiegel), 50 Verfahren laufen noch. Doch Mosley will mehr. Diese Woche ging er vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. „Wir haben eine Lücke im Gesetz“, sagte er der BBC.

Tatsächlich wird das britische Krawallblatt „News of the World“ sein Strafgeld nicht schmerzen. Auch hier zu Lande wägen Verlage solche Folgen gegen steigende Auflagen ab. „Eine Zeitung kann illegal privateste Berichte bringen – und niemand kann sie stoppen“, klagte Mosley der BBC und will jetzt, dass die Straßburger Richter neue Regeln im Königreich herbeizwingen. Ein Journalist soll den Betroffenen fragen, bevor er Privates veröffentlicht, im Streit soll ein Richter entscheiden. „Wenn schon jemand einem das Leben ruiniert, dann ein Richter, kein Redakteur“, sagte Mosley.

Recht hat Mosley, denn die Europäische Menschenrechtskonvention schützt in Artikel 8 auch die Privatsphäre. Der Schutz greift weit in die sozialen Beziehungen und wurde mit dem Urteil zur monegassischen Prinzessin Caroline, die sich gegen die deutsche Rechtsauslegung gewehrt hatte, gestärkt. Seitdem sind auch die deutschen Gerichte sensibler, wenn es um Privates geht. Prominente sind nicht mehr zum digitalen Abschuss freigegeben, Fotos und Berichte müssen Gründe erkennen lassen, warum sie veröffentlicht werden. Nur Neugier reicht nicht. Anders als damals Caroline hat Mosley aber schon vor einem nationalen Gericht sein Recht bekommen; ob er in Straßburg erfolgreich sein wird, ist daher eher fraglich.

Die Caroline-Rechtsprechung brachte die eingeübte Dogmatik des deutschen Pressefreiheitsgrundrechts etwas durcheinander. In der Praxis dagegen hat sie sich eingespielt. Dass heutzutage jedermann mit seinem Handy ein leistungsfähiges Aufnahme- und Speichermedium in der Tasche trägt, tat ein Übriges zur nötigen Neujustierung. Selbst wenn Millionen Teenager ihre Intimgeschichten online stellen, müssen die Max Mosleys dieser Welt es noch lange nicht tun.

Schon gar nicht in Deutschland. Hier gewährt das Strafrecht umfassenden Ehr- und Intimschutz. Nicht nur wegen des Nazi-Vorwurfs, der ihn besonders trifft, weil sein Vater britischer Faschist war und er sich immer von ihm distanzierte, sondern auch weil er sich durch die deutsche Presse besonders verleumdet sah, bemüht Mosley hier die Justiz. Vor allem geht es gegen Axel-Springer-Zeitungen, allen voran die „Bild“, die ihr Publikum tagelang mit Bildern und Berichten versorgte. „Die schlimmste Verletzung von Persönlichkeitsrechten in der deutschen Pressegeschichte“, hat Mosleys Hamburger Rechtsanwältin Tanja Irion ausgemacht und ein Ermittlungsverfahren gegen 20 Beschuldigte angestrengt. Der Verlag schweigt dazu. Es könnte ungemütlich werden. Gerade für solche Fälle ist der neue Paragraf 201 a im Strafgesetzbuch geschaffen worden, der die Wiedergabe heimlicher Bildaufnahmen aus Privaträumen mit einem Jahr Haft bedroht.

Dazu kommt der falsche Nazi-Vorwurf. Die Prostituierten hätten eine aktuelle deutsche Luftwaffenuniform und ansonsten Kaufhausuniformjacken an, sagt Irion, die Art der Sträflingskleidung hätte zwar Charlie Chaplin im Film, nie aber ein KZ-Insasse getragen. „Mein Mandant will seine Ehre wiederhaben“, sagt Irion. Am Ende wird ihm das nur eingeschränkt gelingen, weil bekanntlich immer etwas hängen bleibt.

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