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Thomas Gottschalk beimWarm up zu "Mensch Gottschalk"

© dpa

So war "Mensch Gottschalk": Auf den Hund gekommen

Wenn das Wolfgang Neuss noch hätte erleben können: Thomas Gottschalk, der "Tatort"-Mörder, ein Déjà-vu und eine sehr lange Infotainment-Show bei RTL.

Nun hat ihm RTL tatsächlich einen ganzen Abend freigeräumt, damit Gottschalk wieder ausgiebig das tun soll, was er am besten kann: plaudern. Und was macht Gottschalk? Plaudern. Und, noch eine Überraschung: Das Comeback des Thomas Gottschalk war, zumindest mal, was die Showlänge betrifft, Thomas-Gottschalk-mäßig. Vier Stunden, von viertel nach Acht bis kurz vor Mitternacht, arbeitete sich der Moderator an rund 15 Themen ab, von der Fußball-EM, über Terrorangst, EU-Krise, Olympia, Krebs, Donald Trump, vegane Ernährung bis hin zu Samuel Koch.

Alles live. Eine Zumutung? Vielleicht. Hat es sich gelohnt, so lange aufzubleiben? Alles eine Frage der Erwartungshaltung. Der Produzent Spiegel TV hatte ja keine televisionäre Revolution versprochen: Thomas Gottschalk könne im Laufe des Abends seine besondere Fähigkeit ausspielen, bei den unterschiedlichsten Themen stets den richtigen Ton zu treffen und angemessene Worte zu finden.

Gottschalk halt. Das kann er ja. Der Stellvertreter des Publikums, das größte gemeinsame Vielfache. Wohlfühlbereich. Dazu passte der Start der Show, ein Blick in ein deutsches Durchschnittswohnzimmer, mit Durchschnittstapete und Durchschnittsfamilie. "Vati und Mutti Müller" gucken den parallel im Ersten laufenden Berliner "Tatort". Gottschalk verriet seinen Zuschauern - von wegen Umschaltimpulse - gleich mal den Täter.

Wenn das Wolfgang Neuss noch hätte erleben können. Der wurde in den 1960ern zum Vaterlandsverräter, weil er der Nation den Mörder in einem Durbridge-TV-Krimi vorab verraten hatte. Nicht schlecht, zum Start.

Das war es dann aber auch schon: der frühe Höhepunkt der Sendung. Gottschalk hatte im Vorfeld von "Mensch Gottschalk" gesagt, neulich beim Treffen mit Journalisten in Berlin,das Slalomfahren zwischen Hartem und Weichem habe er sein Leben lang ganz gut beherrscht.

Hartes? Nehmen wir das Gespräch über Terror-Angst bei der Fußball-EM in Frankreich. Dabei: ARD-Moderator Matthias Opdenhövel, Terror-Experte Peter Neumann und Ex-Nationaltorwart Timo Hildebrand. Und Gottschalk. Es krankte, wie andere Info-Brocken an diesem Abend auch, an einem Grundproblem: Zuviel Bekanntes, von langatmigen Einspielern unterstützt, zu wenig Neues, zu wenig Blick nach vorn. Den Satz, so wahr er ist, dass wir unser Leben nicht von Terrorgefahr und Terrorangst bestimmen lassen sollten, den kann Peter Neumann schon auf seiner Visitenkarte drucken lassen.

Die Rechtspopulisten sind auf dem Vormarsch, aber auch noch aufzuhalten

Ach, wenn es denn mal Slalomfahren gewesen wäre. Irgendwie wurde man schon ab Minute 60, 70 das Gefühl nicht los, dass es da bei Gottschalk gar keinen Wechsel zwischen Hartem und Weichem geben könne, "Mensch Gottschalk" lauwarmtemperiert vor sich hin sendet.

Das gilt auch für den Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, der als Gottschalk-Gast auf die Frage, ob die Rechtspopulisten in Europa auf den Vormarsch und überhaupt noch aufzuhalten sein, sinngemäß antwortete, ja, die Rechtspopulisten sind auf dem Vormarsch, aber auch noch aufzuhalten. Immerhin, es zeugte von einem gewissen Mut, zu späterer Stunde, weit nach 22 Uhr, das Thema Krebs, eine an Leukämie erkrankte junge Frau und eine Tumor-Medizinerin in die Show zu holen, die leise Hoffnung auf Heilmittel gegen Krebs-Subtypen machte.

So schleppte sich der lange Infotainment-Abend hin. "stern tv XXL"? „Schreinemakers live“? Was war das? Alte Bekannte wie die Pet Shop Boys und Nena, eine Werbeveranstaltung mit einem selbstfahrenden Mercedes samt Mercedes-Chef, Hochwasser-Geschädigte, "Let's-Dance"-Gewinner, ein smarter "Wer wird Millionär?"-Millionär, der aus dem Nähkästchen plauderte, der Auftritt von Samuel Koch und seiner Freundin, ein Selbstgänger für Thomas Gottschalk, in dessen "Wetten-dass?"-Show Samuel Koch vor fünf Jahren bei einer Wette verunglückte und seitdem im Rollstuhl sitzt.

Von allem ein bisschen. Kurz vor Mitternacht war Schluss mit Plaudern, gefühlt zehn Werbeinseln weiter. Finale mit Berliner Zuschauer-Hunden, die Gottschalk ins Studio gebeten hatte. Verpasst hätte man nichts. Oder eben Thomas Gottschalk pur. Erkenntnisinteressen sind woanders zu stillen.

Nein, das sei kein schlaffer, letzter Versuch, es sei immer noch möglich, genug Zuschauer in seinem, in Gottschalks Moderationsstil mitzunehmen, hatte der große Blonde vorher gesagt. Vielleicht hat er recht. Vielleicht hat RTL die Erwartungen da aber auch zurück geschraubt.

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