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Medien: Solo-Album

Wer mit Marcel Reich-Ranicki spricht, braucht ein Aufnahmegerät. Ohne macht er es nicht, er will nicht entstellt wiedergegeben werden.

Wer mit Marcel Reich-Ranicki spricht, braucht ein Aufnahmegerät. Ohne macht er es nicht, er will nicht entstellt wiedergegeben werden. Eine Angst, die eigentlich unbegründet ist. Man muss Reich-Ranicki schon Wort für Wort wiedergeben, sonst sieht man ihn beim Lesen nicht vor sich, sonst hört man ihn nicht, denkt nicht "typisch Reich-Ranicki" - ob nun mit Begeisterung oder nicht.

Heute Abend um 22Uhr15 im ZDF können Fernsehzuschauer sich wieder aufregen über den Egomanen oder sich freuen über den genialen Rhetoriker. Es wird eine One-Man-Show. Eine halbe Stunde "Reich- Ranicki Solo". Ohne Gesprächspartner, die ihm womöglich dazwischen reden könnten, mit denen er streiten kann, so, wie das der Zuschauer vom "Literarischen Quartett" immer erwarten durfte. Ist er froh, eine Solo-Sendung zu haben, 30 Minuten, nur er im Monolog? "Die Frage ist nicht gut gestellt. Ich bin froh, dass das "Literarische Quartett" zu Ende ist. Ich habe das ja fast 14 Jahre gemacht, nun reicht es, ich wollte etwas anderes versuchen und in meinem Alter kann man, wenn man etwas Neues machen will, nicht lange warten."

Reich-Ranicki wird über Literatur plaudern, aber nicht nur, auch über das Kulturleben allgemein. Der Untertitel der Sendung lautet "Polemische Anmerkungen", das lässt erahnen, dass sie auch provozieren soll, dass sie auch wieder die Kritik, er sei der große Vereinfacher, provozieren wird. "Das stört mich nicht, das soll man auch Friedrich Schlegel vorwerfen und Fontane und allen großen Kritikern", ereifert er sich da.

Wenn der Schwerpunkt der Solo-Show die Literatur-Kritik sein soll, kommt das neue Buch von Günter Grass ja gerade recht. Nachdem Reich-Ranicki "Ein weites Feld" verrissen hatte, sagte Grass: "Ich habe Jahrzehnte unter ihm leiden müssen." Reich-Ranicki wird die Novelle "Im Krebsgang" in seiner ersten Sendung besprechen.

Dass Reich-Ranicki, auch ohne Grass zu verreißen, dreißig Minuten am Stück begeisterte Monologe halten kann, daran wird niemand ernsthaft zweifeln. Daran, dass die Sendung so erfolgreich wird, wie das "Literarische Quartett", vielleicht schon. Der verantwortliche Redakteur, Werner von Bergen, sagt, "wer Reich-Ranicki live erlebt hat, weiß wie suggestiv der sein kann".

"Live" heißt vor Publikum. Dicht dran wird es sein, an der Bühne, auf der Reich-Ranicki am Schreibtisch sitzen wird. Der 80-Jährige schätzt das, denn das verspreche "eine lebendige Reaktion, wenn man Scherze macht, dann spürt man, ob die Leute lachen. Man spürt und sieht ja überhaupt, ob das, was man sagt, ankommt."

Ob dabei dreizehneinhalb Jahre herauskommen, wie beim "Literarischen Quartett"? Dann wäre Reich-Ranicki über 93. "Manche Leute im Fernsehen glauben, ich würde effektvoll scheitern", sagt er, "das amüsiert mich".

Heiko Dilk

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