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„Zeigen Sie mal Ihren Ausweis!“ Maria (Carolina Vera) und ihre Kinder müssen zu viel Aufmerksamkeit vermeiden . Foto: ZDF

© Erika Hauri

Sozialdrama: In ständiger Angst

Das andere Deutschland: Der ZDF-Film „Schutzlos“ gibt den hunderttausenden Illegalen ein Gesicht.

Jede Ähnlichkeit mit wirklich lebenden Personen ist beabsichtigt, der Anklang an reale Geschehnisse keineswegs zufällig. Diese Maria Moreno gibt es wirklich. Vor ein paar Jahren noch hat man die Zahl der illegal in Deutschland lebenden Personen auf eine Million geschätzt, heute geht man von 500 000 aus. Sie ist eine von ihnen. René Heisigs Film gibt den Illegalen, was sie nicht haben dürfen: ein Gesicht. Er zeigt uns das eigene Land aus der Sicht einer Putzfrau.

Man sieht den feinen Zügen dieser Maria an, dass sie diese Arbeit nicht als Berufung empfindet, ja dass sie einmal etwas anderes gewesen sein muss. Aber ihre Arbeitgeber merken nichts. Es sind keineswegs unsympathische Leute, deren Häuser sie staub- und keimfrei hält. Nicht einmal die Dame mit dem leicht prätentiösen Gesichtsausdruck und dem guten Weltgewissen ist es, die soeben Post von ihrem afrikanischen Patenkind bekommen hat und den Lebenswandel ihrer Putzfrau durchaus kritikwürdig findet: „Also Maria, ich glaube, wenn ich Kinder hätte, könnte ich sie nicht einfach alleinlassen!“ Allein für solche lapidaren Szenen, die nur durch einen kurzen Blick Marias, der durch alle Wände geht, über sich hinausweisen, lohnt es diesen Film zu sehen.

Die wirklichen Mauern, die unsere Wirklichkeit durchziehen, Menschen von Menschen so säuberlich trennen, sind unsichtbar. Der Verdienst des ZDF-Films „Schutzlos“ ist es, etwas von diesen Mauern sichtbar zu machen. Der Film wurde gedreht nach einer Vorlage von Kit Hopkins und Thilo Röscheisen, die auf Motive des Buchs „Illegal – Die Geschichte einer Frau, die es offiziell nicht geben darf“ zurückgeht. Die Autoren: der Journalist Steffen Bayer und Maria Moreno. Ihr erstes Treffen fand unter so konspirativen Umständen statt, dass es Steffen Bayer vorkam, als sei er mit der Mafia verabredet.

Wie lebt jemand ohne Aufenthaltserlaubnis in einem fremden Land? Wahrscheinlich so wie Maria Moreno aus Honduras. Sie arbeitet mehr als jede andere und benimmt sich vorbildlicher als jede andere. Bus fahren ohne Fahrschein? Undenkbar. Was für andere Alltag ist, ist für Menschen wie sie vor allem eine Fülle von Fährnissen. Und der Satz des Schreckens lautet: Zeigen Sie mal Ihren Ausweis! Leben heißt überleben, in die Enge getrieben zu sein. Und immer wieder hört sie, selbst von Wohlmeinenden den Satz: Sie hätten zu Hause bleiben sollen! René Heisig hat einen sehenswerten Film über das Schicksal einer Frau gedreht, die nicht unbedingt auf der Schattenseite des Lebens geboren wurde. Immerhin besaß sie in ihrer Heimat ein Elektrogeschäft, das jedoch eines Morgens ein ausgeraubtes Elektrogeschäft war. Sie rief die Polizei, die wollte zuerst mit ihr schlafen. Eine geschiedene Frau in Honduras muss wohl mit solchen Anträgen rechnen. Vielleicht hätte die wirkliche Maria Moreno den Polizisten nicht ohrfeigen sollen. Was sie bekam, war Haft statt Hilfe. Und nach der Entlassung fortgesetzten Polizeiterror, bis ihr nur noch die Flucht blieb. Aber sollte man wirklich einen Asylantrag stellen mit der Begründung, dass man eine geschiedene Frau sei und einen Polizisten geohrfeigt habe?

Carolina Vera, in Chile geboren, zuletzt in mehreren „Tatorten“ zu sehen, ist Maria Moreno. Sie gibt dieser Frau eine große Kraft und Sensibilität. Marias Kinder leben bei ihrem geschiedenen Mann in Honduras, was die bereits erwähnte kinderlose Ehefrau eines Besserverdienenden so tadelnswert findet. Doch als Maria erfährt, dass seine neue Frau Sohn und Tochter misshandelt, holt sie sie zu sich. Zweimal bezahlt sie die Flugtickets, das Geld stammt von einem Wucherer, denn Illegale haben keine Bank. Alles nur Fernsehen? Wie nah an der Wirklichkeit Marias Geschichte ist, zeigen die Bemühungen der Bundesregierung, den Kindern der „Illegalen“ künftig den Schulbesuch zu ermöglichen. Kerstin Decker

„Schutzlos“, ZDF, 20 Uhr 15

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