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Soziale Netzwerke: Chaos mit der Chronik

Neuer Facebook-Ärger um private Nachrichten. Vertrauliche Botschaften aus dem Posteingang seien für das ganze Netzwerk zugänglich geworden, heißt es.

Die Nachricht breitet sich zunächst in Frankreich aus, nach wenigen Tagen versetzt sie die vielen Nutzer weltweit in Aufregung: Facebook soll Privatnachrichten aus den Jahren 2007 bis 2009 auf den Profilseiten als Pinnwandeinträge öffentlich gemacht haben. Vertrauliche Botschaften aus dem Posteingang seien so für das ganze Netzwerk zugänglich geworden, heißt es.

Während die Empörung auf Facebook-Walls, in Blogs und Verbraucherforen im Laufe der Woche lauter wurde – „Facebook Adé, Privatsphäre Olé“ –, streitet die Pressestelle des Unternehmens den Vorwurf als „absoluten Quatsch“ ab. „Zu unserer Zufriedenheit konnten wir feststellen, dass es keinerlei Verletzung der Privatsphäre bei den Menschen auf Facebook gegeben hat. Es gibt keinen Mechanismus, der es ermöglichen würde, dass private Nachrichten auf der Chronik veröffentlicht werden können“, teilte ein Sprecher des sozialen Netzwerks am Donnerstag mit. Aus technischer Sicht würden private Nachrichten und Pinnwand-/Chronik-Einträge als ganz andere Objekte auf Facebook behandelt.

Facebook erklärt die Panik mit dem veränderten Internetumgang seiner User. Früher war die Angst vor Kontrollverlust über ins Netz gestellte Inhalte weniger präsent als heute. So konnte es passieren, dass die Funktion der privaten Nachricht leichtsinnig mit dem öffentlichen Wall-Post verwechselt wurde. „Im Jahr 2012 sind die Nutzer viel sensibler, was den Unterschied zwischen diesen beiden Features betrifft“, sagte der Facebook-Sprecher. Dank der kürzlich eingeführten, jedoch viel kritisierten Timeline lässt sich jetzt die Facebook-Historie bis zur „Profilgeburt“ zurückverfolgen. Da kommen Einträge ans Licht, die man heute so nicht mehr mit den 500 besten Freunden im Netzwerk teilen würde.

Ein weiterer Grund für die Mitteilsamkeit der User in frühen Facebook-Jahren: „Es gab damals keine Kommentar- und ,Gefällt mir‘-Funktion. Es wurde öfter an die Pinnwand eines Freundes gepostet. Wenn man sich diese Beiträge fünf Jahre später ansieht, können diese erstaunlich offen wirken“, so der Facebook-Sprecher. Erstaunlich offen, oder für den jeweiligen Verfasser ziemlich peinlich. „Der Typ war sooo süß! Erzähl ich dir morgen alles in Ruhe bei Bauch-Krauli, ja?“ Dass sie so etwas noch vor drei Jahren ihrer besten Freundin auf ihr Profil schrieb, kann eine Juristin heute nicht glauben und hält an ihrer Überzeugung fest, Facebook habe in ihrer Privatsphäreeinstellung gepfuscht. „Oder diesen Müll selber geschrieben, das kann ich nicht von mir gegeben haben!“

Der Blog „Allfacebook“, der kritisch über Entwicklungen in dem Netzwerk berichtet, hält die Vorwürfe für ebenso falsch wie das Unternehmen selber und kommentiert die Sorge vieler Nutzer: „Die aktuelle Panik zeigt vor allem, dass der Facebook-Nutzer an sich in Sachen Medienkompetenz nicht aufgeklärt genug ist, um das Netzwerk zu nutzen.“ Ob Kritiker den Fall nun als Zeugnis früher Netznaivität oder als Beispiel von Nachlässigkeit im Schutz privater Daten abspeichern – eines bleibt sicher hängen: Das Internet vergisst nichts. Pia Frey

Pia Frey

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