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Unsichere Zukunft. Im Verlagsgebäude der „Frankfurter Rundschau“ wird es nach dem Abbau von Arbeitsplätzen deutlich leerer.

© Boris Roessler/dpa

Sparkurs: Ein Mantel aus Berlin

Ende einer Ära: Die traditionsreiche „Frankfurter Rundschau“ kommt künftig aus der Hauptstadt. 88 von 190 Stellen sollen abgebaut werden.

Die „Frankfurter Rundschau“ wird künftig in wesentlichen Teilen in Berlin produziert. Der komplette Mantel der Zeitung soll in der Hauptstadt entstehen, lediglich der Lokalteil verbleibt noch in Frankfurt. Fast die Hälfte der Arbeitsplätze in der Stammredaktion des linken Traditionsblattes soll im Zuge der Reorganisation abgebaut werden, 88 von 190 Stellen. Das teilte das Medienhaus DuMont Schauberg, das mit 50 Prozent und einer Stimme Mehrheitseigner der „Frankfurter Rundschau“ (FR) ist, am Freitag mit.  Für die Zeitung bedeutet der dramatische Umbau das Ende einer Ära.

Schon seit knapp einem Jahr wird die „Rundschau“ von der im Frühjahr 2010 gegründeten und in Berlin ansässigen DuMont-Redaktionsgemeinschaft beliefert, die auch für die DuMont-Blätter „Berliner Zeitung“, „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Mitteldeutsche Zeitung“ zuständig ist. Doch jetzt sollen die Teile Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur komplett in der Hauptstadt entstehen – aus „made in Frankfurt“ wird „made in Berlin“.

Mit der Umstrukturierung reagieren die drei Gesellschafter, zu denen neben DuMont auch die SPD-Medienholding DDVG (40 Prozent) und die Karl-Gerold-Stiftung (zehn Prozent) gehören, auf das anhaltende Millionendefizit des Blattes. „Anders ist die Existenz der Zeitung nicht zu sichern“, schreibt Verleger Alfred Neven DuMont in einem Artikel, der am heutigen Samstag in der „FR“ erscheint. Auf rund 19 Millionen Euro habe sich das Defizit der Zeitung 2010 belaufen, sagte DuMont-Vorstand Franz Sommerfeld am Freitag in Frankfurt, wo die Redaktion über den Umbau informiert wurde. Viele Mitarbeiter reagierten schockiert, teilweise mit Tränen, auf die Nachricht, berichteten Redaktionsmitglieder. Die Gewerkschaft Verdi sprach von einem „brutalen Kahlschlag“. Für die neue Gesellschaft, aus der heraus neben der DuMont-Redaktionsgemeinschaft künftig die „FR“ entstehen soll, würde nicht der Tarifvertrag, sondern weitaus schlechtere Bedingungen gelten. Verdi kündigte Widerstand an, auch ein Streik werde nicht ausgeschlossen.

Doch an dem neuen Konzept dürfte kaum zu rütteln sein. Seit zehn Jahren schon steckt die „Rundschau“ in der Krise. Bis in die 90er Jahre war sie noch Pflichtlektüre der Linken in Westdeutschland, in den 70er und 80er Jahren prägte sie den Diskurs an den Universitäten erheblich mit. Unter Chefredakteur, Mehrheitseigner und Herausgeber Karl Gerold entwickelte sie sich zu einer angesehenen Zeitung mit bundesweiter Bedeutung, war der Gegenentwurf zur konservativen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Doch so wie nach der Wiedervereinigung das linke und gewerkschaftlich orientierte Milieu schrumpfte, schrumpfte auch die Käuferschicht der „FR“. Noch vor zehn Jahren verkaufte sie 190 000 Exemplare, heute sind es knapp 130 00 Stück. Allein im vergangenen Jahr ging die verkaufte Auflage im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal um zehn Prozent zurück.

Immer wieder war versucht worden, die Zeitung zu retten. 2004 stieg die SPD-Medienholding ein, 2006 übernahm dann DuMont die Mehrheit und ließ das Blatt, damals noch unter dem heutigen Chefredakteur der „Berliner Zeitung“, Uwe Vorkötter, auf das kleinere Tabloid-Format umstellen. Doch weder das neue Erscheinungsbild noch der jahrelange Verzicht der Mitarbeiter auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld haben offenbar ausgereicht, um die Zeitung aus den roten Zahlen zu holen. Der jetzige Rettungsversuch könnte der letzte sein.

Rund 20 Stellen sollen in Berlin im Zuge der Umstrukturierung neu geschaffen werden, auch in Frankfurt werde es neue Arbeitsplätze beispielsweise zur Stärkung der Lokalredaktionen geben, sagte DuMont-Sprecher Wolfgang Brüser. Werden Abbau und Aufbau der Arbeitsplätzen miteinander verrechnet, fallen insgesamt 44 Stellen weg. Während der Mantelteil nach Berlin umzieht, sollen die digitalen Inhalte wie das Online- und iPad-Format von „Rundschau“ und „Berliner Zeitung“ künftig gemeinsam in Frankfurt entstehen. Die Seiten berlin-online.de und berlin.de würden aber weiterhin aus Berlin gemacht. Bis August soll die Umstrukturierung abgeschlossen sein.

Viele Mitarbeiter fürchten, dass die „FR“ durch die gemeinschaftliche Produktion weiter an publizistischer Strahlkraft verliert. Zwar schreibt Alfred Neven DuMont, die Qualität solle „wie gewohnt aufrechterhalten“ werden und „das, was die ,Frankfurter Rundschau’ in Ton und Meinung auszeichnet“ auch weiterhin erhalten bleiben. Doch von dem, was die „FR“ ausmachte, dürfte in der neuen „Rundschau“ wenig zu finden sein.

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