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Der Amazon-Gründer Jeff Bezos kauft die "Washington Post"

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Spektakulärer Medien-Deal in den USA: Amazon-Chef Jeff Bezos kauft die "Washington Post"

Wieder steigt ein Verlag aus seinem Kerngeschäft aus: Amazon-Chef Jeff Bezos kauft die "Washington Post" für 250 Millionen Dollar. Für die Mitarbeiter der Zeitung kommt die Nachricht völlig überraschend.

Dass die „Washington Post“ verkauft wird, ein Traditionsblatt, eine der vier oder fünf bedeutendsten Zeitungen in den USA, hat hier manchen geschockt. Überrascht dagegen war kaum jemand. Die Suche nach neuen Wegen der gedruckten Zeitung im Internetzeitalter gilt in den Vereinigten Staaten noch mehr als in Deutschland als Überlebensfrage. Erst am Wochenende  hatte etwa die „New York Times“ bekannt gegeben, dass sie den „Boston Globe“ die größte Zeitung Neuenglands, an den Unternehmer und Besitzer des Bostoner Baseballteams, John Henry, verkauft. „Bizarr“ dagegen nennen selbst Insider der Technologie-Lobby in Washington den Kauf der „Post“ durch Amazon-Chef Jeff Bezos.

Die Nachricht platzte mitten in die Zeitungsproduktion. Gegen 16 Uhr am Nachmittag ließ Herausgeberin und Geschäftsführerin Katharine Weymouth, die jüngste Vertreterin der Verlegerfamilie Graham, die die „Post“ seit Jahrzehnten besitzt, die Redaktion wissen, es gebe etwas zu verkünden. Auf der gleich folgenden Redaktionsvollversammlung, so erzählt es ein Redaktionsmitglied, ergriff dann Don Graham, der Verlagschef und Weymouth‘ Onkel das Wort. Ohne Umschweife, in kaum zehn Minuten Redezeit, aber doch mit einigem Stocken verkündete er den Verkauf an Bezos. Und zwar an Bezos als Privatperson, nicht an das Versandunternehmen Amazon. Mit der „Post“ zusammen werden auch weitere Zeitungen verkauft: „Gazette“, „Express“, „El Tiempo Latino“ und „Robinson Terminal“. Der ursprüngliche „Washington Post“-Verlag, der seine Tätigkeitsfelder schon länger auf andere Branchen umgeschichtet hat, wird perspektivisch, so die Ankündigung, seinen Namen ändern. Der Verkauf soll voraussichtlich innerhalb von 60 Tagen abgeschlossen sein. Anschließend verlas Weymouth, die wohl gefasster wirkte, einen Brief des neuen Eigentümers an die Redaktion.

Jeff Bezos ist ein ideenreicher Unternehmer - mit dem nötigen Kapital

Anfeindungen habe es kaum gegeben bezüglich des Verkaufs oder des neuen Besitzers. Und das nicht nur wegen der vielen lobenden Worte, die Graham für Bezos, mit dem er nach Darstellung der „Post“ befreundet ist, in seiner kurzen Ansprache fand. Bezos gilt vielen Redakteuren nicht als schlechteste Option - ein ebenso erfolg- wie ideenreicher Unternehmen mit dem nötigen Kapital. Aber natürlich seien alle geschockt gewesen. Zwar waren schon zuvor viele Angestellten der „Post“ davon ausgegangen, dass etwas dieser Art kommen könnte. Der Erlös, hieß es heute auch von der „Post“, sei in den vergangenen sieben Jahren stetig gesunken. Die Zeitungsabteilung mit der „Post als zentralem Bestandteil habe in den vergangenen sechs Jahren 44 Prozent des Erlöses eingebüßt. Von den konkreten Verkaufsverhandlungen wusste aber offenbar praktisch keiner Bescheid.

Und wie den Angestellten geht es auch anderen in Washington: Was will Bezos mit der „Post“? Er werde die Zeitung nicht tagesaktuell führen, schreibt Bezos in seinem Brief. Immerhin habe die „Post“ eine exzellente Führung, die diesen Job besser beherrsche als er. Veränderungen werde es zwar sicher auch geben. Aber die seien im Internetzeitalter mit oder ohne Verkauf nötig und unabwendbar. Journalismus spiele eine „entscheidende Rolle in einer freien Gesellschaft“ und die "Washington Post" als die Heimatzeitung der Hauptstadt der Vereinigten Staaten sei besonders wichtig.

Vielleicht ist es genau das, meint ein Branchenkenner beim Brainstorming. Vielleicht will auch Bezos etwas gesellschaftlich Relevantes tun. Es gebe so etwas wie eine Konkurrenz unter den Technologie-Gurus. Microsoft-Gigant Bill Gates engagiert sich mit Milliarden im Kampf gegen Kinderlähmung und andere Krankheiten. Facebook-Chef Mark Zuckerberg steckt 100 Millionen Dollar in vernachlässigte Schulen in Newark im US-Bundesstaat New Jersey. Und Bezos? In den USA hat das Versandunternehmen einen deutlich besseren Ruf als in Deutschland, wo Amazon derzeit hauptsächlich wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in der Kritik steht. Der 49 Jahre alte Bezos, den das Forbes Magazin als Nummer 19 der Milliardäre weltweit aufführt, an Nummer zwölf in den USA, gilt als hochintelligenter Geschäftsmann, als Technologie-Freak. Die „Post“, das wäre schon etwas anderes. Leisten kann er sich den Kauf sicher. Nach Angaben von Forbes entspricht der Preis gerade einmal einem Prozent seiner finanziellen Mittel.

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