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Mit sinkenden Werbeumsätzen hat der Hamburger Verlag Gruner + Jahr unter Vorstandschef Bernd Buchholz zu kämpfen. Foto: dpa

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Spekulationen um G+J-Chef: Nebel über Hamburg

Der Hamburger Verlag Gruner + Jahr verzeichnet im ersten Halbjahr einen Gewinneinbruch. Das macht die Ablösung von Vorstandschef Bernd Buchholz wahrscheinlicher.

Nein, zur brennendsten Frage wollte sich Thomas Rabe partout nicht äußern. An Personalspekulationen beteilige er sich nicht, sagte der Vorstandschef von Bertelsmann am Freitag bei der Vorstellung der Halbjahresergebnisse von Europas größter Medienkonzern, zu dem die RTL Group, der Verlag Gruner + Jahr („Stern“, „Brigitte“), der Buchkonzern Random House und das Dienstleistungsunternehmen Arvato gehören. Damit bleibt offen, wann und von wem Gruner + Jahr-Vorstandschef Bernd Buchholz abgelöst wird. Dass es zu diesem Schritt kommt, dürfte außer Frage stehen – auch nach den Zahlen, die die Hamburger für den in Gütersloh ansässigen Konzern ablieferten.

Hatte der Verlag, an dem Bertelsmann mit 74,9 Prozent beteiligt ist, im vergangenen Jahr von Januar bis Juli noch ein operatives Ergebnis von 124 Millionen Euro eingefahren, sind es im ersten Halbjahr 2012 nur noch 85 Millionen Euro gewesen. Der Grund: Rückläufige Werbeumsätze im In- und Ausland, sagte Rabe. Er rechne nach den Gesprächen mit dem G+J-Management zwar nicht damit, dass sich der Rückgang im Anzeigengeschäft in diesem Umfang fortsetze. Dass die Werbemärkte stark anziehen, damit rechnet er allerdings auch nicht.

Hinzu kommt, dass nahezu alle G+J-Titel im zweiten Quartal 2012 ein Auflagenminus im Vergleich zum Vorjahresquartal verzeichnen müssen. Von den Klassikern „Stern“ und „Brigitte“ über Wirtschaftstitel wie „Impulse“ und „Capital“ bis hin zu Wissenschaftsmagazinen wie „National Geographic“ und „P.M.“. Auch die Wirtschaftszeitung „Financial Times Deutschland“ kommt nicht aus den roten Zahlen. Dennoch sei der Umsatz von G + J in den ersten sechs Monaten mit 1,1 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stabil. Ebenso die Vertriebserlöse, auch dank neuer Titel und Titel-Varianten wie „Grazia“ und „Woman’s Health“.

Um mehr Einfluss auf den Verlag zu gewinnen, will Bertelsmann G+J komplett übernehmen – und dann wohl auch Vorstand Buchholz austauschen. „Wir werden in enger Abstimmung mit unseren Partnern, den Jahrs, über die personelle Aufstellung und Ausrichtung von Gruner +Jahr sprechen“, äußerte sich Rabe am Freitag nebulös.

Dass Bertelsmann vor einem langfristigen Konzernumbau steht, hatte Christoph Mohn, Sohn des langjährigen Bertelsmann-Eigentümers Reinhard Mohn, am Donnerstag angekündigt. Er wird zum 1. Januar den Vorsitz des Aufsichtsrates von Bertelsmann übernehmen und folgt damit auf Gunter Thielen.

Vorstandschef Rabe wollte sich am Freitag nicht zu einer möglichen G+J-Übernahme äußern. Gerüchten, dass Bertelsmann den Verlag nach einem solchen Geschäft womöglich nur weiterverkaufen wolle, hielt Rabe entgegen: „Qualitätsjournalismus ist und bleibt für Bertelsmann ein hohes Anliegen.“

Zuletzt hieß es, dass Familie Jahr im Tausch für ihre Sperrminorität von 25,1 Prozent mit vier bis fünf Prozent an Bertelsmann beteiligt werden könnte – ein Deal, der nach der Vorlage der Halbjahreszahlen noch attraktiver erscheinen dürfte. Denn Bertelsmann konnte trotz der schwachen Zahlen aus Hamburg seinen Gewinn steigern: Verglichen mit der Vorjahreshälfte stieg das Konzernergebnis um 31 Prozent auf 353 Millionen Euro. Auch der Umsatz legte zu – um 5 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro.

Dazu beigetragen hat vor allem die Buchtochter Random House, die ihren Umsatz von 787 auf 947 Millionen Euro steigerte und im ersten Halbjahr ein operatives Rekordergebnis von 113 Millionen Euro (2011: 69 Millionen Euro) einfahren konnte – der zunehmende Verkauf von E-Books erweist sich im Fall von Random House also nicht als Bedrohung, sondern als Segen. Hinzu kommt der sensationelle Erfolg des Random-House-Buches „Shades of Grey“, das sich international millionenfach verkauft.

Weniger positiv ist dagegen die Halbjahresbilanz für die Fernsehtochter RTL – der mit Abstand größte Ertragsbringer im Bertelsmann-Konzern. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sank trotz eines Umsatzplus von 3,3 Prozent um rund 14 Prozent auf 506 Millionen Euro. Der Fernsehsender hat wie Gruner + Jahr unter rückläufigen Werbemärkten zu leiden. Nicht im deutschen Markt, aber in anderen europäischen Ländern. Im Gesamtjahr erwartet RTL deshalb sinkende Gewinne.

Rabe rechnet dennoch damit, dass Bertelsmann insgesamt das Jahr 2012 mit „einem im Vergleich zum Vorjahr höheren Konzernergebnis“ abschließen wird. Nach jahrelangen Sparrunden soll wieder kräftig investiert werden, unter anderem in den Ausbau des digitalen Geschäfts und des Bildungsbereichs. Und spätestens zum Jahresende dürfte die Personalfrage in Hamburg geklärt sein.

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