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Spott-Light: Heute schon gewulfft?

Die Demontage des Bundespräsidenten im Web und den sozialen Netzen nimmt realsatirische Züge an. Sogar ein neues Verb hat die Netzgemeinde nach Wulffs Anrufen beim "Bild"-Chef erfunden.

Auf Facebook kann jeder dem in der Kritik stehenden Bundespräsidenten seine Meinung sagen. Die Mitglieder des sozialen Netzwerkes machen davon ausgiebig Gebrauch: Über 2500 Kommentare stehen unter dem letzten Eintrag von Christian Wulff und seiner Weihnachtsansprache. „Rücktritt jetzt!“, „Er muss weg“, „Schluss mit der Schmierenkomödie“ lauten die eindeutigen Aufforderungen an den CDU-Politiker. Am Dienstagmittag stellte der Stuttgarter Unternehmensberater Gert Widmann sogar die Strafanzeige gegen den Bundespräsidenten, die er bei der Staatsanwaltschaft Hannover gestellt hat, auf Wulffs Facebookseite ein. Seine Vorwürfe: Vorteilsnahme im Amt, Nötigung und Amtsmissbrauch. Dagegen gehen verständnisvolle Kommentare wie „Wulff bleibt standhaft“ fast unter, auch wenn die Rolle der „Bild“ durchaus thematisiert wird. Nicht wenige Mitglieder von Facebook vermuten eine „Hetzkampagne vom Springer-Verlag“ hinter den Enthüllungen. Dennoch: Würde im sozialen Netzwerk über Wulffs Zukunft abgestimmt, wäre seine Zeit im Schloss Bellevue offensichtlich abgelaufen. Der Name der Seite istchristianwulffnochimamt.de – eine ausdrückliche Kopie der seit längerem bestehenden Seite istwesterwellenochimamt.de – spricht Bände. In beiden Fällen lautet die Antwort auf den dazugehörigen Porträts auf den Seiten noch Ja.

Auch für die Satirezeitschrift „Titanic“ ist die Affäre um den Geerkens-Kredit und den Anruf bei „Bild“-Chef Kai Diekmann ein gefundenes Fressen: Bereits zum zweiten Mal widmet das Satire-Magazin dem Bundespräsidenten eine E-Postkarte. Nach „Die Weihnachtsansprache erstmals mit Credits“ mit Verweisen auf Ausstatter wie Edith und Egon Geerkens, Carsten Maschmeyer, Veronica Ferres und andere, legte „Titanic“ nun eine elektronische Postkarte „Der Bild-Erpresser“ auf. In der Aufmachung des Boulevard-Blattes steht neben dem Bild des Bundespräsidenten die Überschrift: „Netter Versuch, Bürschchen: Dieser Milchbubi ist der Bild-Erpresser“.

Im Netz wird die Diskussion um das Amt des Bundespräsidenten und die Rolle von Christian Wulff zunehmend zur Realsatire. Einige Internet-Nutzer haben das möglicherweise Unvermeidliche bereits antizipiert. „Wir wollen unseren Bundespräsidenten Christian Wulff zurück“, lautet der Claim einer Facebook-Gemeinschaft. Was genau damit gemeint ist, wird nicht erklärt. Zur Information wird auf die reguläre Webseite des Bundespräsidenten verwiesen, die mit dieser Facebook-Seite nichts zu tun hat.

Der Radiosender WDR5 hat sich von Wulffs Kontaktaufnahmeversuchen zum „Bild“-Chefredakteur dazu inspirieren lassen, den Inhalt des Anrufbeantworters von Kai Diekmann von einem Stimmimitator nachstellen zu lassen. Herausgekommen ist eine Kombination aus den bekannt gewordenen Wulff-Statements und anderen, fiktiven Botschaften. So wird nicht nur der „Rubikon überschritten“, auch eine angebliche Bestellung der bundespräsidialen Familie bei einem Italiener – „Meine Frau und ich hätten gerne zwei Latte Macchiato, die 17 und die 27“ – befindet sich auf dem gefakten „AB von Diekmann“. Zum Vollsprechen eines Anrufbeantworters mit Wutanrufen hat die Internetgemeinde inzwischen sogar ein Verb erfunden: wulffen lautet es.

Tipps erhält Wulff von unerwarteter Seite: Ex-Tennisprofi Boris Becker empfiehlt Wulff einen Berater für den Umgang mit „Bild“ und Diekmann. Über Twitter fragte der Wimbledon-Sieger: „Was macht denn BP wulff??? Er ruft bei CR dieckmann an und beschwert sich... hat wulff keine krisenberater um sich?“ Beckers Ratschlag: „Vielleicht zu lange in hannover gelebt... MAN legt sich niemals mit BILD an, oder MAN gewinnt WIMBLEDON.“ Kurt Sagatz

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