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Medien: Springer-Spiegel

Das koordinierte Vorgehen von Deutschlands mächtigsten Printmedien

Kai Diekmann brachte es auf den Punkt: „Wenn sich ,Spiegel’ und ,Bild’-Zeitung zusammentun, muss es um etwas Großes gehen.“ Am Mittwochabend wurden beim Verlag Axel Springer in Berlin gleich mehrere Premieren gefeiert. Erstmals wurde in der neuen Ullstein-Halle ein Film vorgeführt, noch dazu war dieser Film eine deutsche Erstaufführung, und zum ersten Mal in der Geschichte wurde eine Veranstaltung gemeinsam von den beiden mächtigsten Printmedien Deutschlands präsentiert: von „Spiegel“ und „Bild“.

Die Sympathien zwischen den Chefredakteuren Stefan Aust und Diekmann einerseits und Aust und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner auf der anderen Seite mögen auf privater Ebene begonnen haben. Mittlerweile entwickelten sich die guten Beziehungen zu einer wirtschaftlich fruchtbaren Zusammenarbeit. Alle drei haben eines gemeinsam: Sie sind machtbewusste Menschen, und sie wissen um die Macht ihrer Funktionen und ihrer Medien.

„Ich muss in diesen feindlichen Hallen natürlich auf jedes Wort achten“, sagte Aust zu Beginn der Filmvorführung und brachte das Publikum zum Lachen über den potenziellen Vorwurf, da bahne sich „eine neue Hamburger Kumpanei an“. Nein, sagte Aust: „Manchmal können solche Koalitionen nicht schaden.“

Die Koalitionen zwischen „Spiegel“, „Bild“ und Springer insgesamt begannen zaghaft, nahmen aber stetig zu und wurden am Mittwoch erstmals öffentlich gefeiert.

Es begann mit der Zusammenarbeit zwischen Spiegel-TV und „Bild“ im Rahmen der fernsehgerechten Umsetzung von Themen der Zeitung für Boulevardsendungen von RTL und Sat 1 und endet derzeit damit, dass „Bild“-Kolumnistin Christiane Hoffmann künftig die Sat-1-Sendung „Blitz am Sonntag“ moderieren wird. Produziert wird die Sendung von a+i, einer Tochterfirma von Spiegel-TV. Kurz vor Vertragsabschluss steht außerdem, dass die Verlage Springer und Spiegel künftig im Bereich der Textdokumentation kooperieren. Der Spiegel-Verlag wird Dienstleister von Springer, beide sparen Geld, und Springer spart zudem Mitarbeiter ein.

Das koordinierte Vorgehen greift mittlerweile auch in die Inhalte von „Bild“ und „Spiegel“. Am 21. Juni machten das Nachrichtenmagazin und die Boulevardzeitung mit demselben Thema auf: der Biografie von Bill Clinton. Die Rechte zum Vorabdruck hatten sie sich gemeinsam gesichert, der „Spiegel“ musste dafür sogar auf seinen Sonntagsverkauf in Berlin verzichten. Schon im März veröffentlichten sowohl „Bild“ als auch „Spiegel“ vorab Auszüge von „FAZ“-Herausgeber Frank Schirrmachers „Methusalem-Komplott“. Schirrmacher wurde am 22. März von „Bild“ auf Seite 1 sogar zum Gewinner des Tages erklärt. So etwas treibt die Leute in die Buchläden. Bei all diesen Koalitionen mögen der aktuelle Hitler-Titel des „Spiegel“ anlässlich des Films „Der Untergang“ und die parallel dazu am Montag begonnene „Bild“-Serie von Joachim Fest über „Hitlers letzte Tage“ nur eine Randerscheinung sein.

Die Spitze der gemeinsamen Machtdemonstration erreichten „Spiegel“ und Springer Anfang August mit der angekündigten Rückkehr zur alten Rechtschreibung, gepaart mit dem Aufruf, andere Medien sollen ihnen folgen. Kein Medium in Deutschland wird so oft zitiert wie der „Spiegel“, keine Zeitung so oft wie „Bild“, gemeinsam erreichen der „Spiegel“ und die Springer- Medien sechzig Prozent der deutschen Bevölkerung. Was könnte so viel geballte publizistische Macht bei einem bundesweiten Wahlkampf wie 2006 bewirken?

Rudolf Augstein hätte sich so viel Gemeinsamkeit wohl nicht vorstellen können. Im Gesellschaftervertrag gibt es eine Klausel, in der steht, dass es für den Spiegel-Verlag Partner gibt, die „nicht zumutbar“ sind. „Die Gesellschafter sind sich darüber einig, dass hierzu derzeit die Axel Springer Verlag AG und der Heinrich Bauer Verlag gehören“, steht im Vertrag.

Das bindende Element für die gemeinsame Premierenaufführung des wunderbar anrührenden Films „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ war Produzent Arthur Cohn. Augstein hatte in seinen letzten Lebensjahren ein Filmprojekt angeregt, für das er den sechsfachen Oscar-Preisträger gewinnen wollte. Außerdem war Cohn der Trauzeuge bei der Hochzeit von Kai Diekmann und Katja Keßler. Der andere Trauzeuge, Altkanzler Helmut Kohl, war am Mittwoch auch da. Kohl hält sich noch an seine politische Regel, „diesem Magazin aus Hamburg“ kein Interview zu geben. Immerhin haben sich Kohl und Aust am Mittwoch begrüßt und miteinander gelacht. Ebenfalls anwesend war Schirrmacher. Mit ihm hatten Aust und Döpfner im Berliner Restaurant Borchardt die Rückkehr zur alten Rechtschreibung ausgeheckt.

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