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Mathias Döpfner

© dpa

Springer-Verlag: Schlechte Nachrichten

Wenn die Pin AG scheitert, gerät auch die Bilanz von Springer-Chef Mathias Döpfner unter Druck. Noch hat er die Rückendeckung von Friede Springer.

Am vergangenen Mittwoch lud die Freie Universität ihre Studenten zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Karriere 2008“ ein. Mathias Döpfner, der 44-jährige Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, stand in einem proppevollen Hörsaal zwei Journalisten Rede und Antwort über seinen in der Medienbranche wohl einzigartigen Aufstieg. Es wirkte ein wenig wie ein improvisiertes Theaterstück, wie die drei penibel mit Anzug und Krawatte bekleideten Herren in klobigen dunklen Sesseln zu Füßen des Auditoriums über Wege zum Erfolg plauderten.

Döpfner sagte Sätze wie „Eine Karriere, die geplant ist, funktioniert nicht“ und riet: „Wenn Sie einen Weg ohne Leidenschaft gehen, sind Sie von vorneherein verloren.“ Es ist sicher kein Zufall, dass das „Manager Magazin“, das die Veranstaltung präsentierte, gerade Döpfner als Leitbild auserkor. Denn wohl kaum ein Verlagsmanager regt die Fantasie der Journalisten hierzulande so an wie der Mann, der mit 38 Jahren Springer-Chef wurde. Schließlich ist Döpfner einer von ihnen. In Hotels, so erzählt Döpfner gern, trage er sich immer als Journalist ein, nicht als Vorstandsvorsitzender. Und so räsoniert die Branche gern, wie er es vom promovierten Musikwissenschaftler und Brüsseler „FAZ“-Korrespondenten zu einem der mächtigsten Verlagsbosse der Republik schaffen konnte.

Döpfners Weg ist nicht der des Tellerwäschers zum Millionär, aber der des Schöngeistes zum Konzernchef. Wie wohl bei keinem anderen Verlagschef wird Döpfners Leistungsbilanz unter die Lupe genommen. Bei Hubert Burda, als Kunsthistoriker ebenfalls gewissermaßen ein Seiteneinsteiger, wird der Erfolg seltener gemessen – Burda ist Erbe und Eigentümer seines Verlags und weitaus älter. Sein Meisterstück lieferte er mit der Einführung von „Focus“ ab. Seither muss er sich nichts mehr beweisen. Ob Döpfner sein Meisterstück bereits abgeliefert hat, ist nicht ganz klar.

Das Fiasko des Postdienstleisters Pin AG, an dem Springer die Mehrheit hält, könnte als bisher größte Niederlage in Döpfners Vita eingehen. Wenn Bundestag und Bundesrat den Mindestlohn für Briefzusteller durchwinken, wird es für die Pin AG ganz eng. Sollte das Unternehmen gar Insolvenz anmelden, hätte Springer mehr als eine halbe Milliarde Euro in den Sand gesetzt. Das Mindestlohndebakel lässt auch Döpfner nicht unbeschädigt. Zu sehr, so sagen Insider, habe man sich auf halbgare Zusagen der Merkel-Regierung verlassen, man werde die Option Mindestlohn nicht ziehen.

Zum Krisenszenario schien zu passen, dass vor wenigen Tagen die Zuständigkeiten im Springer-Vorstand neu geordnet wurden. Zeitschriftenchef Andreas Wiele übernimmt von Döpfner die wirtschaftliche Verantwortung für die „Bild“-Gruppe, der „Cash Cow“ des Verlags. Alles, wo „Bild“ draufsteht, dazu gehören Zeitungen, Zeitschriften und Online-Plattformen, wird nun von Wiele geführt. Döpfner behält die publizistische Verantwortung und kümmert sich um die „Welt“- Gruppe, die Regionalzeitungen und das internationale Geschäft.

Daraufhin hieß es, Döpfner gebe mit „Bild“ ein großes Stück seiner Macht ab. Die These vom Machtverlust ist allerdings, gelinde gesagt, kompletter Unfug. Als Vorstandsvorsitzender hält Döpfner alle Fäden in der Hand, Wiele ist ihm unterstellt. 2001 machte Springer ein Minus von 191 Millionen Euro, 2006 lag der Gewinn bei 291 Millionen. Döpfner ist seit dem vergangenen Jahr selbst mit zwei Prozent Gesellschafter der AG. Er genießt, jedenfalls ist nichts Gegenteiliges bekannt, das Vertrauen von Friede Springer. Die wohnt in der Nachbarschaft der Döpfners in Potsdam, ist Patentante eines der Kinder ihres Vorstandschefs und wird diesem sicher nie vergessen, dass er Leo Kirch aus dem Verlag trieb. Einzig ein laufender Erbschaftsstreit zwischen der Witwe Axel Springers und dessen Enkel Axel Sven könnte die Verhältnisse im Verlag über den Haufen werfen.

Der gebürtige Bonner Döpfner eilte bisher keineswegs nur von Erfolg zu Erfolg. Gerd Schulte-Hillen, der ehemalige Chef von Gruner und Jahr, machte seinen Zögling mit 31 zum Chef der „Wochenpost“, später vertraute er Döpfner auf dessen Bitte hin die „Hamburger Morgenpost“ an. In beiden Fällen sank die Auflage, bei der „Morgenpost“ sei er eine „Fehlbesetzung“ gewesen, gestand Döpfner den FU-Studenten. Die gescheiterte Übernahme der Sendergruppe Pro Sieben Sat 1 durch Springer im vergangenen Jahr war ebenfalls eine herbe Niederlage. Ganz aufgegeben hat man den Traum vom Fernsehen trotz des Widerspruchs des Kartellamts nie. Man investierte in TV-Beteiligungen in der Türkei und in Polen und prüft dem Vernehmen nach den Einstieg beim Nachrichtensender N 24.

Wie andere Verlagsmanager hat Döpfner die Digitalisierung zu einem seiner Lieblingsthemen gemacht, denn da kann man sich visionär betätigen. Vor einigen Wochen sprach er im Berliner Institut für Medienpolitik über seine Strategie und geriet bei den Möglichkeiten, die sich Journalisten im Internet eröffneten, geradezu ins Schwärmen. Zum einen baut Döpfner auf Zukäufe, dazu gehören die französische Website Aufeminin.com oder der Berliner Vermarkter Zanox. Zum anderen investiert man in die Zeitungs-Websites. In der kommenden Woche startet „Bild.de“, das dem Marktführer „Spiegel Online“ den Kampf ansagt. Dazu kaufte Springer den bisherigen Kooperationspartner T-Online heraus.

Gelegentlich kollidiert Döpfners zuweilen pathetisch gefärbte Sicht auf die digitale Zukunft des Journalismus mit der Realität. Denn Springer spart wie andere Verlage an allen Ecken und Enden. Vor Jahren entließ man ein Zehntel der Mitarbeiter, die Gehälter für freie Autoren und Fotografen wurden gekürzt und zuletzt Redakteure in eine „Service- und Entwicklungsredaktion“ versetzt. Die zum Konzern gehörenden Regionalverlage der „Ostsee-Zeitung“ und der „Lübecker Nachrichten“ gliedern einen Großteil ihrer Mitarbeiter in gemeinsame Tochterfirmen aus. Die blühenden journalistischen Landschaften, die Döpfner mit der ihm eigenen Überzeugungskraft beschreibt, sie sind zumindest bis dato eine Schimäre.

Verrät der erklärte Freiheitsfanatiker Döpfner, den Schrift und Sprache faszinieren, mit renditeorientierten Entscheidungen, die im Falle eines Aus für Pin eher noch zunehmen werden, seine eigene Zunft? Vorgemacht hat er ihr jedenfalls nie etwas. Egal, ob er im „Spiegel“ ein Gespräch mit Günter Grass führt oder die defizitäre „Welt“-Gruppe endlich profitabel machen will – sein Antrieb ist vor allem die Möglichkeit, etwas gestalten zu können. An der FU sagte Döpfner: „Ich bin natürlich hochgradig ehrgeizig, das ist ganz klar.“ So einfach, ja, so banal ist das wohl.

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