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"Las chicas del cable" erzählt die Geschichte von vier Telefonistinnen im Spanien der 20er Jahre.

© Manuel Fernandez-Valdes/Netflix

Streamingportal für 190 Länder: Was Netflix dieses Jahr alles plant

Erzählen, produzieren, streamen global: Jetzt produziert das US-Portal mit „Dark“ die erste deutsche Serie. Ein Überblick über das Programm 2017 - und neue Kooperationen.

So ein Prädikat können Reed Hastings und Ted Sarandos hollywoodmäßig weglächeln. Amazon Prime Video wird mit „You are wanted“ am 17. März die erste deutsche Streaming-Serie am Start haben. Netflix wird erst im Dezember mit „Dark“ nachziehen. Für Netflix-Chef Hastings und den Chief Content Officer Sarandos zeigt das nur den „größeren Wettbewerbsdruck“ an. Aber Snapchat, Apple, Sony, Amazon sind Konkurrenten in einem „Internet-TV-Markt, der wächst – und Netflix wächst mit“.

Wenn Facebook weltweit zwei Milliarden Teilnehmer hat, hat der US-Streamingdienst mittlerweile 93 Millionen Mitglieder in mehr als 190 Ländern. Da geht noch was, oder? Wobei der breite Optimismus der Netflix-Bosse nicht mit einem breiten Zahlenwerk hinterlegt wird. Der Erfolg in Deutschland wird behauptet, bewiesen wird er nicht. Beim Blick auf den aktuellen Aktienkurs – knapp 136 Euro – zeigt sich allerdings, dass die Aktionäre den Optimismus über die ausgreifende Netflixisierung der (Fernseh-)Welt teilen. Täglich werden nach Unternehmensangaben über 125 Millionen Stunden aus dem Portefeuille der Serien, Filme, Dokus, Kindersendungen und Stand-up-Shows genutzt.

2017 sollen rund tausend Stunden an neuen Netflix-Originals online gestellt werden. Das muss mit großer Pauke verkündet werden, also wurde am Mittwoch und am Donnerstag in Berlin zur Jahresvorschau geladen. Original heißt, dass sämtliche Verwertungsrechte bei Netflix liegen, dass ein neues Produkt global von einer Sekunde zur anderen gestreamt werden kann. Im besten Falle wird Weltfernsehen geboten. „Überzeugende Storys können von überall herkommen und unabhängig ihrer Herkunft ein Publikum auf der ganzen Welt ansprechen“, umriss Sarandos die Qualität, wie sie „House of Cards“ oder „Narcos“ erfüllen.

Netflix-Chef Reed Hastings fürchtet sich nicht vor der wachsenden Konkurrenz.
Netflix-Chef Reed Hastings fürchtet sich nicht vor der wachsenden Konkurrenz.

© AFP

In Europa produzierte Inhalte hatten im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte ihrer Zuschauer außerhalb Europas. Seit 2012 will Netflix rund 1,65 Milliarden Euro in Originals, Koproduktionen und Lizenzen europäischer Provenienz investiert haben. Und das bei stabilen Produktionskosten, was Sarandos damit begründete, dass parallel zum weltweiten Streaming-Booom die Kapazitäten wachsen.

In diesem Jahr kommen Italien mit „Suburra“, Spanien mit „Las chicas del cable“ und Deutschland mit „Dark“ hinzu. Nach den gezeigten Ausschnitten bietet „Suburra“ eine Krimithriller-Serie in der Nachfolge von „Gomorrha“, „Las chicas del cable“ zeigt ein Quartett von Telefonistinnen im Spanien der 20er Jahre, die auf je eigene Weise einen selbstbewussten Weg zur selbstbestimmten Zukunft suchen („Mad Men“ grüßt von ferne).

In Berlin entsteht Mystery-Serie über deutsche Kleinstadt

Bei der Mystery-Serie „Dark“, sie wird gerade in und um Berlin gedreht, geht es um vier Familien in einer typisch deutschen Kleinstadt. Zwei Kinder verschwinden auf mysteriöse Weise, die vermeintlich heile Welt der Familien wird aus den Fugen gerissen, der Blick hinter die Fassaden offenbart die dunklen Geheimnisse aller Beteiligten.

Die Münchner Produktionsfirma Wiedemann & Berg Film hat damit den Pitch der ersten deutschen Netflix-Serie gewonnen. Der Trailer machte deutlich, dass die zehn Folgen, 150 Drehtage und an die hundert Rollen die Netflix-Maxime erfüllen: „Besetzt mit den Besten, nehmt euch jede Freiheit“. Regie führt Baran bo Odar, der zuletzt einen Kinoerfolg mit „Who am I – Kein System ist sicher“ verbuchte. Im Cast finden sich Namen wie Jördis Triebel und Mark Waschke.

Der Plot von „Dark“ scheint nicht sagenhaft originell zu sein, in der Umsetzung von sehr großer Qualität. Aktuell hat Netflix 90 Originals in Entwicklung und Produktion, da wird es Novitäten nicht auf allen Ebenen geben (können). Netflix-Chef Hastings hatte stets betont, sein Unternehmen lasse sich Zeit mit der Auswahl einer Serie aus Deutschland, weil man die Inhalte immer auch international vermarkten wolle. Produktionsvolumen, Wettbewerbsdruck – es zeichnet sich ab, dass der Netflix-Katalog auch Katalogware bieten wird. Standards und Standardisierung gehen in eins. Und für jedes neue Original wird es schwieriger, origineller als das letzte Original zu sein.

Mehr Koproduktionen mit TV-Sendern geplant

Zugleich entstehen neue Allianzen. Netflix wird mehr Koproduktionen, mit öffentlich-rechtlichen wie privaten Sendern, denn je eingehen. Mit BBC One, BBC Two und Canal plus werden Serien wie „Troy: Fall of a City“, „Black Earth Rising“ und „The Spy“ ins Werk gesetzt. „Troy“ wird dann in Großbritannien bei der BBC Premiere haben, außerhalb und damit global bei Premiere. Beim ZDF holt sich Netflix den Dreiteiler „Der gleiche Himmel“ in Lizenz. Wäre für die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF da nicht mehr drin, auch zum Wohl und Vergnügen der eigenen Zuschauer?

Brad Pitt spielt in der Filmsatire "War Machine" einen US-Militär.
Brad Pitt spielt in der Filmsatire "War Machine" einen US-Militär.

© Netlix

Seitenblicke zum weiteren Angebot: Für den 26. Mai ist die Filmsatire „War Machine“ angekündigt, mit Brad Pitt in der Hauptrolle. Der erste Blick verspricht einen coolen Look. „Chelsea“ und „Marseille“, zweite Staffeln, die Comedy „Lovesick“ in der dritten Fortsetzung, dito „Better call Saul“. Spannend kündigt sich auch „Glow“ (Gorgeous Ladies of Wrestling) von „Orange is the New Black“-Schöpferin Jenji Kohan an.

Die Netflix-Welt ist gescriptet. Sport, Live-Sport haben Hastings und Sarandos nicht auf dem Zettel, so wenig wie Late-Night. Ein Netflix-Produkt muss ein möglichst langes Haltbarkeitsdatum haben. Eine Trump-Show beim Streamingdienst? „Gerne“, sagte Reed Hastings, „aber sie muss brillant sein“.

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