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Und nun, die „Tagesschau“. Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen nicht mehr dafür zahlen, dass Kabel Deutschland beispielsweise ihre Programme einspeist. Die Grundversorgung 18 Millionen deutscher TV-Haushalte steht infrage. Es muss neu verhandelt werden. Foto: dpa

© dapd

Streit um Netzgebühr: Kabel Deutschland legt sich mit ARD und ZDF an

ARD und ZDF haben ihre Verträge mit den großen Kabelnetzbetreibern in Deutschland gekündigt. Strittig ist der Anspruch der öffentlich-rechtlichen Sender auf kostenlose Verbreitung. Was bedeutet das für die Zuschauer?

Keine „Tagesschau“ oder „Sportschau“ mehr als Kabel-Deutschland-Kunde? Im Trubel um die Fußball-Europameisterschaft im Juni fast ein bisschen untergegangen ist die Meldung, dass ARD und ZDF ihre Verträge mit den größten Kabelnetzbetreibern in Deutschland zum Jahresende gekündigt haben. Die beiden Sender wollen nicht mehr dafür bezahlen, dass ihre Programme in die Netze eingespeist werden. Die sogenannten Einspeiseentgelte seien historisch überholt, erklärte MDR-Intendantin Karola Wille. Nach den Worten von ZDF-Intendant Thomas Bellut ist es nicht mehr zu rechtfertigen, dass Gebühren an Unternehmen gezahlt werden, die mit der Vermarktung der öffentlich-rechtlichen Programme Geld verdienten.

Betroffen sind die Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW. Allein Kabel Deutschland erhält jährlich 27 Millionen Euro an Einspeiseentgelten von den öffentlich-rechtlichen Sendern für die Verbreitung von 23 TV- und 63 Radiosendern an seine 8,5 Millionen Kunden. Insgesamt empfangen 18 Millionen Fernsehhaushalte in Deutschland ihr Programm über den Kabelanschluss. Die drei großen genannten Kabelfirmen könnten die Programme von ARD und ZDF nach dem Willen der beiden Öffentlich-Rechtlichen auch künftig verbreiten, sofern sie entsprechende Lizenzen besitzen, sollen aber eben kein Geld mehr dafür erhalten. „Soweit erkennbar“, erklärte das ZDF, kassierten die Kabelbetreiber in keinem vergleichbaren europäischen Land sowohl bei den TV-Sendern als auch bei Kabelkunden. Die Kabelnetzbetreiber würden von den Sendern bezahlt, um anschließend auch noch von Kabelkunden Geld zu erhalten.

Das ist aus Kundensicht auch anders zu sehen. In wenigen Ländern sind die reinen Kabelgebühren so niedrig wie in Deutschland. In den USA beispielsweise kostet ein regulärer Kabelanschluss umgerechnet etwa 95 Euro im Monat. Unitymedia verlangt hierzulande 17,90 Euro, ähnlich Kabel Deutschland.

Von Massenkündigungen bei den Kabelfirmen bis Ende Dezember ist nicht auszugehen. Auf beiden Seiten wird hoch gepokert. Kabel Deutschland ist bemüht, die Sorgen der Kunden um die zukünftige Fernsehgrundversorgung gering zu halten. „Die Einspeiseverträge mit ARD und ZDF laufen mindestens noch bis Ende 2012. Es ist unser erklärtes Ziel, uns mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auf eine Fortsetzung der langjährigen und guten Geschäftsbeziehung zu verständigen und alle öffentlich-rechtlichen Sender auch nach 2012 im Netz von Kabel Deutschland zu übertragen“, sagt Unternehmenssprecher Marco Gassen dem Tagesspiegel. Die öffentlich-rechtlichen Sender würden ein umfangreiches, sogenanntes „Must Carry“-Privileg genießen, das die Verbreitung im Kabel vorsieht. Dieses Privileg sei nach Überzeugung von Kabel Deutschland unmittelbar mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden, so der Unternehmenssprecher.

Laut Rundfunkstaatsvertrag müssen die wesentlichen Angebote von ARD und ZDF über Kabel verbreitet werden.

Worauf Gassen anspielt: Der Rundfunkstaatsvertrag sichert über eine Pflichtregel zu, dass die wesentlichen Angebote von ARD und ZDF über Kabel verbreitet werden müssen. Was nun „wesentlich“ ist (Eine Ausstrahlung in HD? Die Dritten Programme? Die vielen Digitalkanäle von ARD und ZDF?), darüber könnte man allerdings geteilter Meinung sein.

Für die Kabelfernsehanbieter kommt dieser Wirbel zur Unzeit. Für sie ist 2012 ohnehin nicht das beste Jahr. Die ausführliche Berichterstattung über das Ende des analogen Satelliten-TV hat dem Kabelfernsehen eher geschadet als genutzt. Via Satellit lassen sich seit April noch mehr Programme in bester HD-Qualität empfangen. Direkt nach dem Wegfall der alten Analogprogramme wurden via Satellit zehn zusätzliche HD-Kanäle freigeschaltet (darunter BR, NDR, SWR und WDR sowie 3sat, ZDFneo und ZDFkultur). Hinzu kommen die Privatsender mit ihren HD-Programmen, für die vom zweiten Jahr an jährlich 50 Euro für die HD-Plus-Karte gezahlt werden müssen.

Was spricht also gegen Satellitenfernsehen? Zum einen das Angebot, das bei Kabel Deutschland auch Telefon und Internet beinhaltet, alles aus einer Hand, via schnellem Kabel. Andererseits nimmt zwar auch im Kabel die Zahl der HD-Sender zu, aber weder bei den öffentlich-rechtlichen noch bei den privaten Sendern kann das Kabel derzeit mit Satellit mithalten. Hinzu kommt das Dauerärgernis der sogenannten Grundverschlüsselung. Selbst die Free-TV-Programme der Privatsender in der herkömmlichen Standardauflösung können digital nur aufgerufen werden, wenn man über eine besondere Chipkarte verfügt. Für jeden weiteren Digitalempfänger im Haus werden Zusatzkarten benötigt, die wiederum Zusatzentgelte nach sich ziehen.

Diese Grundverschlüsselung ärgert nicht nur Millionen Kabelkunden, auch offizielle Stellen betrachten dieses Gebahren skeptisch. Die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten (ZAK) hat ihre Kritik gerade erst wiederholt und sich dafür ausgesprochen, zumindest diese Grundverschlüsselung für private Free-TV-Programme in SD-Qualität abzustellen, um Nachteile für die Privatsender zu verhindern. Ein Verzicht wäre „ein Impuls für die weitere Digitalisierung des Fernsehempfangs in Deutschland“, so die Kommission. Dass die Analogabschaltung beim Satelliten-TV so erfolgreich funktioniert hat, habe auch daran gelegen, dass die Kanäle der Privatsender zumindest in der herkömmlichen Qualität via Satellit unverschlüsselt übertragen werden.

Der Forderung nach einem Ende der Grundverschlüsselung haben sich der Deutsche Mieterbund, der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und der Verbraucherzentrale-Bundesverband angeschlossen. Diese Methode führe dazu, dass der Umstieg von analog zu digital durch Anschaffungen spezieller Empfangsgeräte für viele Kunden mit finanziellen Hürden verbunden sei.

Viel Streitstoff um die Zukunft des Fernsehens, bei all den technischen Möglichkeiten, den TV-Geräten mit Full-HD, Smart-TV etc., die den Laien beim Neukauf im Elektromarkt ohnehin oft überfordern. Dazu kommt stets die Grundfrage nach dem günstigsten Empfang: ob Kabel, Satellit oder gar DVB-T (digital terrestrisch). Bis zu 1500 Programme sind da ins Haus zu bringen. Was nun Kabel Deutschland ab Januar 2013 anbietet, darüber wird – nach einer rechtlichen Prüfung der Kündigung – mit ARD und ZDF im Zusammenhang mit den sogenannten Einspeiseentgelten verhandelt. Ein Kräftemessen. Es wird eine Einigung auf den letzten Drücker erwartet. Kabel-Deutschland-Kunden müssen in diesen Tagen wegen einer Netzmodernisierung erst mal alle digitalen TV-Sender auf ihren Geräten zu Hause neu ordnen lassen. Es dürfte nicht der letzte Sendersuchlauf gewesen sein.

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