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System Bundestag: 3sat-Doku "Volksvertreter" erzählt vom glanzlosen Abgeordneten-Alltag

Zehn Politiker, darunter fünf Frauen und fünf Männer, stellt Siegfried Ressel in seiner TV-Doku "Volksvertreter" vor. Sein Film bietet wenig spektakuläre, aber aufschlussreiche Innenansichten des Politbetriebes.

Der Deutsche Bundestag, sagt Rolf Mützenich, sei „ein toller Ort“. Nicht weil der Kölner Abgeordnete hier einen Triumph nach dem anderen feiern würde, keineswegs, denn der Sozialdemokrat gehört ja zur Opposition. Er wolle sich im Parlament „auch selbst finden“. Hier könne man eigene Gedanken entwickeln und voranbringen. Im Alltag, sagt er an anderer Stelle im Film, scheitere er oft, nicht zuletzt an der eigenen Fraktionsführung.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion zählt zu den fünf Frauen und Männern, die Siegfried Ressel in seiner zweiteiligen Dokumentation „Volksvertreter“ vorstellt. Was treibt sie an? Wie sieht ihr Alltag aus? Das Klischee vom faulen, Diäten-geilen Politiker wird hier nicht bedient. Der Autor sammelt Beobachtungen aus dem Leben von Hinterbänklern und nachdenkliche Töne in den Interviews. Von einem „fast geschlossenen System“ und einem Parlamentsalltag, der „viele gefangen hält“, spricht Heike Hänsel, die Linke aus Tübingen, die nach einem Jahr Pause nach einer Krebserkrankung wieder zurückgekehrt ist.

Die Grüne Elisabeth Scharfenberg kämpft um ihren Job und ist angefressen. Im Landesverband Bayern werden die Listenplätze für die Bundestagswahl vergeben, und die nervöse Scharfenberg ergattert erst im zweiten Anlauf einen sicheren Platz – mit einer Stimme Mehrheit. Existenzangst, Riesenerleichterung im Kreise der Familie, aber später zeigt Ressel, wie Scharfenberg allein im Auto durchs dunkle Berlin in ihre Wohnung fährt und von einer „einsamen Zeit“ als Abgeordnete spricht.

Abgeklärter gibt sich Sylvia Canel (FDP), die ihren Listenplatz und damit bei der bevorstehenden Wahl auch ihr Mandat verliert. Die Hamburgerin wird als gegenüber Rüstungs-Lobbyisten aufgeschlossene Politikerin eingeführt, aber in der Euro-Krise stimmte sie gegen die Regierungspolitik. Sie spricht von Demokratiekrise und davon, dass sie das Vertrauen in Angela Merkel verloren habe. Dass sie kein Mandat mehr erhält, nimmt sie gelassen. Man müsse für sich selber ein Leben ohne Politik akzeptieren. „Es hat sich gelohnt“, sagt sie am Ende.

Ressel bietet unaufgeregt wenig spektakuläre, aber aufschlussreiche Innenansichten jenseits des aktuellen Polit-Getöses. Insbesondere ästhetisch setzt der Film in der finalen Wahlkampfphase einen interessanten Kontrast. Der Bundestag ist hier nicht hektischer Politzirkus, sondern ein stiller, oft einsamer Ort. Die Menschen wirken klein in den langen Gängen und großen Hallen, in den Büros herrscht nüchterne Arbeitsatmosphäre. Ressel zeigt in unkommentierten Bildern das Parlament als einen Ort glänzender Architektur und glanzlosen Demokratiebetriebs. Thomas Gehringer

„Volksvertreter“, 3sat, Mittwoch und Donnerstag, jeweils 20 Uhr 15

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