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Noch gibt es freie Plätze im Newsroom von T-Online. Erst 53 der bis zu 70 Stellen des Online-Portals, das seinen Sitz nach Berlin verlegt hat, sind derzeit besetzt.

© Promo

T-Online nach dem Umzug nach Berlin: Mit Fitnessraum und Kinosaal in die Torstraße

T-Online will nach dem Umzug nach Berlin digitales Leitmedium werden. Ein Ortstermin am neuen Standort.

Es begann mit einer CD-Rom, die Computerbesitzer ins CD-Laufwerk schoben: Mit T-Online ermöglichte die Telekom den Deutschen ab 1995 den Zugang ins World Wide Web. Mehr als eine Million Nutzer gingen bis 1996 mit dem Angebot ins Netz, lasen auf der Seite Nachrichten und richteten sich ihre E-Mail-Postfächer ein. Zwei Jahrzehnte später ist das Portal mit rund 27 Millionen monatlichen Nutzern und 47 Millionen erreichten Personen die reichweitenstärkste Internetseite Deutschlands.

Nun soll der Marktführer eine Runderneuerung erhalten. Das Werbeunternehmen Ströer, das das Portal 2015 übernommen hatte, will die Seite zum „neuen digitalen Leitmedium“ machen. „Für viele Menschen in Deutschland hat das Internet mit T-Online angefangen“, erklärt Arne Henkes, Chefredakteur von T-Online. „Dadurch haben wir eine ganze Menge Vertrauen. Das ist das Kostbarste, was wir haben, neben unserer Reichweite.“

Das Portal schreit nach einem Relaunch

Durch Ströers Außenwerbeflächen, wie Public-Video-Stationen in Bahnhöfen und Roadside-Screens, erreicht T-Online ein immenses Publikum. Neben der Reichweite wollen die Macher vor allem an der Relevanz der Inhalte arbeiten, damit die Nutzer die Seite noch häufiger ansteuern, um sich zu informieren. Auch eine technische Modernisierung hat das angestaubt wirkende Portal bitter nötig. Zunächst wird die Struktur der Seite geändert, das Layout erneuert und schließlich sukzessive weiterentwickelt. Davon ist bisher allerdings noch nicht viel zu erkennen.

Obwohl T-Online enorm viele Menschen erreicht, blieb die Seite stets unter dem Radar der Nachrichtenmedienbranche. Grund dafür waren fehlende Eigeninhalte, technische Defizite wie Suchmaschinenoptimierung und stiefmütterlich behandelte Social-Media-Auftritte: „Wir wissen, dass wir mit Social Media viel Aufholarbeit vor uns haben“, sagt Henkes. Mit rund 193 000 Facebook-Fans hat T-Online nicht annähernd so viele Fans wie Konkurrent „Spiegel Online“, dem rund 1,4 Millionen Menschen auf Facebook folgen, auf Twitter hat T-Online keine 1800 Follower. Gerade stellt die Redaktion ein fünfköpfiges Social-Media-Team zusammen. „Unser Ziel ist es, dass wir auf all unseren Kanälen einen einheitlichen Auftritt schaffen. Also ein Gesicht nach außen – egal ob Webseite, Mobile, Social Media oder Public Video“, sagt Henkes.

Der neue Newsroom in der Berliner Torstraße lässt erahnen, wohin Ströer mit T-Online will. Mit Amazons Sprachassistenz Alexa sind der Newsroom und sogar die Toilettenräume ausgestattet. Auf dem Schreibtisch von Arne Henkes meldet sich Alexa, wenn Donald Trump einen Tweet abgesetzt hat. Steril-nüchterne Konferenzräume gibt es nicht, stattdessen einen Fitnessraum und einen kleinen Kinosaal, die für kurze Konferenzen genutzt werden, sowie zwei große Konferenzräume in Skihütten- und Birkenwald-Optik. Die Kreativität der Mitarbeiter soll nicht an kahlen Wänden scheitern.

Mit dem Umzug der Redaktion von Darmstadt nach Berlin tauschte Ströer die T-Online-Belegschaft weitgehend aus, um sich neue Digital-Kompetenz an Bord zu holen. Neuer Chefredakteur wird ab September der ehemalige „Spiegel Online“-Chefredakteur Florian Harms, dessen Stellvertreter wird Jan Hollitzer, der aus der Chefredaktion der „Berliner Morgenpost“ zu Ströer wechselt. Doch viele Schreibtische in der Redaktion sind noch leer. 53 der angestrebten 65 bis 70 T-Online-Redakteure haben die Arbeit aufgenommen, die vakanten Stellen will Ströer so schnell wie möglich besetzen.

Eigene Korrespondenten und mehr Recherche

Durch neu eingestellte US- und Parlamentskorrespondenten will T-Online deutlich mehr eigene Stücke und Recherchen liefern. Bisher dominierten Agenturinhalte die Seite. „Wir werden an Inhalten arbeiten und weniger dem Tagesaktuellen hinterherhecheln und reißerisch aufmachen“, so Henkes. T-Online soll häufiger zum Zitatgeber werden, statt Agenturinhalte aufzugreifen. Schon jetzt gelinge dies beispielsweise im Bereich Fußball. Auch die Rubrik „Nachrichten“ auf der Seite soll aufgelöst und durch „Politik“ und „Panorama“ ersetzt werden, um Politik- und Blaulicht-Themen schärfer zu trennen. „In erster Linie wollen wir als Nachrichtenmedium in Erinnerung bleiben“, erklärt Henkes. „Aber auch die Journal- und Ratgeberthemen bieten einen wichtigen Mehrwert für unsere Leser, das wollen wir nicht verstecken.“ Themenschwerpunkte werden künftig Politik, Sport, Unterhaltung und Digitales sein.

Nach dem Start-up-Prinzip „trial and error“ will das Team Neues ausprobieren, statt Trends hinterherzuhetzen. Henkes betont, dass die Redaktion noch am Anfang ihrer Arbeit steht: „Der Neustart der Redaktion hier in Berlin gibt uns die Chance, einfach Neues auszuprobieren und manchmal wie ein Start-up agieren zu können. Gleichzeitig haben wir die Stärke der Reichweite unseres Portals. Von hier aus können wir uns gut weiterentwickeln.“ Dabei sind vor allem die Plattformen Public Video und Spracherkennung für T-Online interessant, wobei man diesmal keine fundamentalen Entwicklungen verschlafen will, wie es beim Aufkommen von Social Media der Fall war.

Das Ausprobieren kann die Redaktion sich leisten, da T-Online keine Printredaktion im Rücken hat, deren Auflagenrückgänge die Seite ausgleichen muss. Über drängende Fragen der Branche wie Paid Content muss sich das Ströer-Portal aufgrund seiner Werbefinanzierung ohnehin nicht sorgen. Zudem dürfte ein noch erfolgreicheres T-Online noch mehr Werbeeinnahmen sichern.

Ob das neue Konzept erste Früchte trägt, wird sich bei der Bundestagswahl im September zeigen. Bei dem politischen Großereignis, das Redaktionen viele Monate im Voraus planen, will T-Online sich beweisen. Geplant sind Interviews mit den Spitzenkandidaten, datenjournalistische Projekte und Berichte von den Wahlpartys. „Wir wollen an einzelnen Stellen kleine und größere Glanzlichter setzen“, erklärt Henkes. Die volle Klaviatur der Berichterstattung könne die noch nicht voll besetzte Redaktion aber noch nicht spielen. Der Neustart benötigt seine Zeit. Für historische Veränderungen braucht T-Online diesmal mehr als eine CD-Rom.

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