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"Tagesthemen"-Moderator Thomas Roth.

© Tsp

Tagesthemen: Thomas Roth müsste mehr Schwung wagen

Für Thomas Roth war es die erste Woche als Moderator der ARD-„Tagesthemen“. Eine Bilanz.

Ja, er nuschelt. Nicht so schlimm wie die Korrespondentenlegende Gerd Ruge oder wie Peter Scholl-Latour, aber wenn Thomas Roth das Wort „spätestens“ ohne Vokale spricht oder zum Kommentar den Kollegen des „Saarschen Rundfunks“ ankündigt, dann sticht das doch ab von den auf Artikulation getrimmten Sprecherstimmen. Ansonsten sah die erste Arbeitswoche des neuen Moderators der ARD-„Tagesthemen“ so aus, als wolle er unbedingt so agieren, wie er es zuvor verkündet hatte: Die Themen stünden im Vordergrund, nicht die Person.

Thomas Roth bemühte sich, stets freundlich zu wirken, hielt die Moderationen in der Regel knapp und wollte auf keinen Fall als Welterklärer auftrumpfen. Den übertriebenen Hype – als sei seine neue journalistische Aufgabe ein Star- oder Staatsamt – versuchte er durch Sachlichkeit zu kontern. Dass auch der welterfahrene 61-Jährige über ein starkes Ego verfügt und gewiss nicht uneitel ist, ließ sich nur erahnen. Viele Moderationen begann Thomas Roth mit dem Wörtchen „so“, als wolle er sich in einen beiläufigen Erzählstil noch ein wenig einfühlen.

Sein Schopf ist nicht mehr grau, sondern weiß, den markanten Schnäuzer hat er etwas gestutzt. Obwohl Thomas Roth gerade einmal sieben Jahre älter ist als sein Vorgänger Tom Buhrow, wirkt die Ablösung wie ein Generationswechsel: Auf das Bübchen folgt der Herr. Das mag daran liegen, dass es eine Zeit gab, da schien es im WDR eine ausgemachte Sache zu sein, dass Thomas Roth Fritz Pleitgen als Intendant beerben würde. Zur Vorbereitung wurde der Fernsehmann Roth extra zum Hörfunkdirektor berufen, was dann aber nur von kurzer Dauer war. Roth kehrte vom Schreibtisch in der Verwaltung zurück an die journalistische Front. Im neuen Moderationsjob – so erklärte er mehrmals – sieht er sich in der Nachfolge von Hanns-Joachim Friedrichs, nicht etwa in den Fußstapfen seines tatsächlichen Vorgängers.

Schon in seiner ersten Arbeitswoche als „Tagesthemen“-Moderator bekam es Thomas Roth sofort mit der ARD-Realität zu tun. Nur an drei von fünf Werktagen gab es eine reguläre Sendung, denn wenn der Ball rollt, müssen alle anderen kürzertreten. Jeweils acht Minuten am Montag und am Freitag – da lässt sich wirklich nicht viel sagen. So wurde auch erst am Dienstag klar, dass Thomas Roth das alberne Spiel mitmacht, eine feste Schlussformel zu verwenden. „Kommen Sie gut durch die Nacht“ gibt er uns nun permanent mit auf den Weg. Nun ja. Verzeihlich ist das Geplänkel mit dem Wettermann Sven Plöger. Der wirkt wie ein Hüftsteifer, der gerne Popstar wäre, was Roth dezent ironisch bespielt.

"Tagesthemen"- Flair eines Auslandsjournals

Am Donnerstag hatten die ARD-„Tagesthemen“ das Flair eines Auslandsjournals – mit Blutrache in Albanien und Goldsuche in Kirgistan. Am Dienstag kopierte man das Konzept, mit dem die ZDF-Nachrichtensendung „heute“ sich gerne als locker darstellt: ein „Schmunzelstück“ zum Schluss, das „mit Augenzwinkern“ angekündigt wird. Es ging um Vampire in Gleiwitz. Am Mittwoch passten Moderation und Sendung gut zusammen – vielleicht wurde sogar eine Richtung sichtbar, in die es gehen könnte. Es gab immer wieder einen Rückbezug darauf, wie sehr Snowden Regierung und Opposition durchrüttelt, die internationalen Beziehungen erschüttert, Privates und die Gesellschaft berührt. Eine solche thematische Bündelung unterstreicht den Magazincharakter der Sendung, der Moderator hat Zeit und Raum, mehr zu leisten als solide Zusammenfassungen.

Für Roth gab es noch keine aus der Aktualität resultierenden Herausforderungen oder gar ein prägendes Interview. Mal fragt er die eigenen Korrespondenten ab, mal sehr zugewandt Kenan Kollat, den Vertreter der türkischen Gemeinden, zum NSU-Prozess. Gerne hätte man am Mittwoch, als die Regierungsseite in der Spähaffäre Frank-Walter Steinmeier ins Visier nahm, diesen auch im Interview gesehen. Stattdessen gab es nur einen Mini-O-Ton von Gerhard Schröders früherem Staatsminister im Kanzleramt.

Anders als Claus Kleber im ZDF, der ja tatsächlich sehr sprachgewandt ist, aber gelegentlich die Anchorman-Darstellung zu manieristisch auslebt, hat Thomas Roth stets die Sache seriös betont. Viel gewagt hat er noch nicht. Einmal hat er die Formulierung vom „Gespür für Schnee“ aufgenommen. Zum Leopard, dem Filmpreis von Locarno, ging es auf eine „cineastische Pirsch“. Der ethnologische Ausflug zur albanischen Blutrache geriet etwas zu umständlich. Ein geplantes Wortspiel mit den „Volksparteien“, über die in sechs Wochen das Volk entscheide, hat er verhaspelt. Was aber angenehm ist: Thomas Roth neigt nicht dazu, die Zuschauer zu infantilisieren.

In der versprochenen Betonung der Sache liegt eine Chance, aber auch eine Gefahr: Die „Tagesthemen“ können in Routine absacken – stets dann, wenn die Filmbeiträge konventionell sind und die Moderation nicht für einen klugen Ausgleich sorgt. Dass nun „der Steuerzahler etwas auszulöffeln“ hat und „die heiße Phase des Wahlkampfs eingeläutet wird“, hilft da nicht weiter. Das gilt besonders für die Texte und Bilder zur Innenpolitik. Am Donnerstag wurden nacheinander ein „SZ-Artikel“ („Schonte die bayerische Staatsanwaltschaft die CSU?“) und ein „stern“-Artikel verfilmt (neue Vorwürfe gegen Uli Hoeneß). Auch die Zwischenbilanz zum NSU-Prozess am Dienstag und der Mittwochsbericht über Steinbrücks Wahlkampf waren uninspiriert gestaltet.

Nur drei Verbote müssten ausgesprochen werden: keine Häuserfassaden außen, keine Schilder oder Logos, keine Politiker, die vor dem O-Ton schräg durchs Bild staksen. Schon würden die Filme besser. Weltmeister im Durch-das-Bild-Staksen war in dieser Woche übrigens Ex-CSU-Chef Erwin Huber, der nach ausführlichem Stapfen von hinten rechts nach links vorne nur zum Besten gab, dass alles in Ordnung sei, und so unfreiwillig verdeutlichte, dass er nur aus Proporzgründen im Beitrag zur bayerischen Staatsanwaltschaft vorkam.

Seriös und sachlich darf im Alltag nicht konventionell und ideenlos heißen. Noch muss Thomas Roth daran arbeiten, das in den „Tagesthemen“ deutlich zu machen. Es ist seine Aufgabe, die Sendung, die ja mehr sein will als ein News-Aggregator, als Sinneinheit plausibel zu machen. Mit seinem Wissen und seiner Erfahrung müsste er das können. Auf jeden Fall gehört er nicht zu den kantenlosen Allerweltsspießern, die TV-Moderationen als Gleitmittel zwischen den Beiträgen verstehen. Er legt ja Wert darauf: Es soll nicht zuerst um das Gesicht der ARD-„Tagesthemen“ gehen, sondern um deren publizistisches Gewicht. Für dieses Ziel darf Thomas Roth ruhig noch mutiger werden, noch freier sprechen.

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