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TALK: BBC rechtfertigt Rechtsextremen-Auftritt

Die BBC war erleichtert. Ihre umstrittenste Entscheidung seit Jahren, den Chef der „British National Party“ (BNP), Nick Griffin, in der Diskussionssendung „Question Time“ am Donnerstag aufs Podium zu setzen, war offenbar richtig.

Nach einem chaotischen Tag, an dem Hunderte Demonstranten den BBC-Komplex in London blockierten, sagte der stellvertretende BBC-Chef Mark Byford: „Das Publikum stellte die harten Fragen, die 'Question Time' (QT) zum führenden Programm machen, wenn es darum geht, Diskussionsteilnehmer in die Mangel zu nehmen“.

Die Einladung war für viele Briten ein Schock. Zum ersten Mal in der Geschichte Großbritanniens wurde ein Neofaschist so ernst genommen, dass die unsichtbare Schranke, die sie vom öffentlichen Diskurs ausschließt, durchbrochen wurde. Griffin ist von inquisitorischen Interviewern in Politikprogrammen verhört worden. „QT“ ist anders. Die Sendung, seit 1979 ausgestrahlt, hat die Debattenkultur der Briten geprägt. Hier nahm Griffin vor acht Millionen Zuschauern und auf Augenhöhe mit einem Studiopublikum Platz.

„Das ist genau die Anerkennung, nach der sie lechzen. Wenn man sie einmal als Gleichberechtigte behandelt, gewinnen sie Boden. Das sah man in Nazi-Deutschland“, protestierte Labourminister Peter Hain. Die BBC begründete ihre Entscheidung einfach: Griffin spreche für eine Partei, die von über einer Million Briten gewählt worden sei – womit gesagt war, dass auch BNP-Wähler Rundfunkgebühren zahlen. Schließlich sei auch der Führer der zeitweise im Parlament vertretenen linksradikalen „Respect“ Partei zu „QT“ eingeladen worden. Im Übrigen, sagte BBC-Chef Mark Thompson, sei „Zensur nicht die Aufgabe der BBC“. Moderator David Dimbledy wählte die vorher eingereichten Fragen so aus, dass Griffin unter Dauerbeschuss kam. Offenbar kann er sich bei Fragen professioneller Interviewer besser inszenieren als beim artikulierten „Common Sense“, dem wirklichen Star von „QT“. „Sie machen mir Gänsehaut“, sagte eine lesbische Frau, nachdem Griffin erklärt hatte, die Mehrheit der Menschen schaudere angesichts küssender Männer. Ein dunkelhäutiger Brite fragte, wohin ihn Griffin eigentlich deportieren wolle. Dann schlug er vor, dem BNP-Chef eine Fahrkarte zum Südpol zu spendieren. „Dort gibt es keine Farben. Da fühlst du dich wohl“.

Nick Griffin beschuldigte die BBC am Freitag, das Format der Sendung geändert und eine „Lynchmeute“ auf ihn losgelassen zu haben. Er will Beschwerde einreichen. Auch zahlreiche Zuschauer warfen dem Sender in Zuschriften Parteilichkeit vor. Matthias Thibaut, London

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