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Die Kommissare Lürsen und Stedefreund sind irritiert, dass sich Polizist Förster (Christoph Letkowski, 2.v.r.) nicht mehr an die Angreifer erinnern kann, die seine Kollegin so schwer verletzt haben.

© Radio Bremen/Jörg Landsberg

"Tatort" aus Bremen über Familienclans: „Wir sind das Gesetz“

Ein türkisch-arabischstämmiger Familienclan setzt sich im Bremen-„Tatort“ über Polizei und Justiz hinweg. Die Folge "Brüder" erinnert an einen realen Fall aus Berlin.

Es beginnt wie ein Polizeieinsatz, der sich so oder ähnlich vermutlich mehrmals täglich in Deutschland ereignet. Ein Notruf geht ein, ein Mann fühlt sich bedroht, eine Streife wird losgeschickt. Im Bremer „Tatort“ sitzt Polizist David Förster (Christoph Letkowski) am Steuer, neben ihm die junge Kollegin Anne Peters (Anna-Lena Doll). Doch der Routine-Einsatz eskaliert. Die Männer, die die Beamten im Hafengebiet antreffen, gehören zu einem stadtbekannten Familienclan. Der Polizist will den Rückzug antreten, doch als seine Kollegin Verstärkung anfordern will, wird sie vom Anführer der Gruppe zusammengeschlagen. Sie wird aus dem Koma nicht wieder aufwachen. Als die Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) eintreffen, ist Förster genauso verschwunden wie der Mann mit dem Notruf. Die Lage bleibt verworren, bis die Kriminaltechnik ein Haar findet, das über die DNA eine Verbindung zur berüchtigten Nidal-Familie herstellt.

Die nun folgende Vermittlung des Hintergrundwissens hat leichten Volksschulcharakter – ein großes Diagramm mit dem Stammbaum der Nidal-Familie aus dem Kommissariat für Organisierte Kriminalität tut das Übrige. Die Familie stamme ursprünglich aus dem Osten der Türkei, habe sich danach allerdings im Libanon angesiedelt. Die dortigen Bürgerkriegswirren führten die Nidals nach Deutschland, mit und ohne Papiere, wie die Kommissare referieren. Nun habe der Clan in Bremen seinen Hauptsitz aufgeschlagen. Drogen, Prostitution, Waffen – die Familie hat überall ihre Finger im Spiel.

Ähnlicher Fall aus Berlin

Die „Brüder“-Folge erinnert an einen Fall aus Berlin. In einem spektakulären Diebstahl erbeuteten mehrere Einbrecher im Januar 2009 beim Juwelier Christ im KaDeWe Preziosen im Wert von rund fünf Millionen Euro. Ein Schweißtropfen auf einem Handschuh, der am Tatort zurückgelassen wurde, lieferte eine heiße Spur und führte wenige Tage später dazu, dass zwei Verdächtige verhaftet wurden. Einen Monat später musste die Staatsanwaltschaft die beiden jedoch wieder auf freien Fuß lassen. Bei den Libanesen handelte es sich um eineiige Zwillinge, deren DNA so gut wie identisch ist. Mit den vorhandenen Gentests konnte nicht nachgewiesen werden, zu wem die Probe gehörte. Die Freigelassenen ließen über einen anderen Bruder ausrichten, dass sie „stolz sind auf den deutschen Rechtsstaat und ihm danken“. Die Justiz versicherte zwar, dass sie nun nach Wegen suchen werde, um die Täterschaft auf andere Weise zu erhärten, wenig später wurden die beiden jedoch noch weiter entlastet. Ihre Körpermaße passten nicht zu den Videoaufzeichnungen. Ein Experte hatte aber bereits zuvor die Vermutung geäußert, dass mit der DNA-Spur der Verdacht absichtlich auf die Zwillinge gelenkt wurde, um die Ermittler von den wahren Tätern abzulenken. Sie sind bis heute nicht bekannt, die Beute wurde nie gefunden.

Dem Publikum wird eine kriminelle Parallelgesellschaft vorgeführt

„Vergiss nicht, wir sind das Gesetz“, sagt ebenso selbstbewusst Hassan Nidal im „Tatort“. Es ist eine kriminelle Parallelgesellschaft, die dem Publikum gezeigt wird. Die Familie entlastet ihre Angehörigen nach Belieben durch Scheinalibis. Lästige Zeugen werden eingeschüchtert – oder sie verschwinden ganz. Niemand ist sakrosankt. Selbst vor einem Richter haben die Nidals keinen Respekt.

Im Bremer „Tatort“ wollen sich die Kommissare jedoch nicht damit zufrieden geben, wie der Familienclan Polizei, Justiz und am Ende auch der Gesellschaft eine lange Nase dreht. Mit Beharrlichkeit und gutem Zureden versuchen sie Polizist Förster nach seinem Wiederauftauchen zur Mitarbeit zu bewegen.

Im Mittelpunkt der Handlung, und das spricht für das Drehbuch von Winfried Huismann und Dagmar Gabel und die Regie von Florian Baxmeyer, stehen nicht Lürsen und Stedefreund. Dort befinden sich drei Personen: David Förster, der trotz seiner Schwäche ein guter Polizist ist. Sein Kontrahent ist Hassan Nidal. Bei Schauspieler Dar Salim hat man den Eindruck, er hat ein paar Filme zu viel mit Vin Diesel gesehen. Hassan Nidal ist so etwas wie der Geschäftsführer des Clans, der die Interessen der Großfamilie knallhart vertritt. Seine Brutalität kennt keine Grenzen, doch er hat auch eine durchaus sympathische Seite und ein gewisses Charisma.

Und da ist noch Sunny Sömnez (Matthias Weidenhöfer), bester Kumpel und Blutsbruder von Polizist Förster. Er gehörte einst ebenfalls zum Nidal-Clan, hat sich aber davon gelöst und wird seither von der Familie totgeschwiegen. Das Spannungsfeld zwischen diesen Personen und der reale Hintergrund des Plots machen diesen „Tatort“ sehenswert.

„Tatort: Brüder“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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