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Tatort: Klaukinder und Feuerteufel

Der Krimi geht mutig in die Problemzone hinein. Dabei hilft Political Correctness nicht immer weiter.

Früher war es schön in Köln-Kalk. Ein netter Kiez, freundliche Nachbarn, alles ziemlich ruhig, und das Reformhaus von Herrn Langner lief prima. Dann wurde „das Heim“ gebaut, eine Wohnanlage für Sinti und Roma. Und aus war’s mit der Beschaulichkeit. Die Fremden gucken immer aus dem Fenster. Sie sind verdächtig: der Unsauberkeit, der Unbeständigkeit, des Diebstahls und sonst noch so mancher krimineller Umtriebe. Als dann gegenüber ein Haus brennt und eine Frau durch Rauchvergiftung den Tod findet, ist klar, wer den Brand gelegt haben muss: die kleine Lutvija (Muriel Wimmer), die immer lange Finger macht. Sie wurde am Tatort gesehen. Die Zeitung titelt: „Klaukind als Feuerteufel“.

Den Kommissaren Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) steht eine schwierige Ermittlung bevor. Sie müssen nicht nur herausfinden, wer hinter dem Brand steckt, sie müssen sich auch durch das Dickicht aus Vorverurteilungen und Zigeunerfeindlichkeit hindurchkämpfen, das sie bei dem geschädigten Langner (das abgefackelte Haus gehörte ihm) und seiner „Anwohnerinitiative Kohlhofstraße“ vorfinden. Und sie müssen die Heimbewohner zum Reden bringen, die nur die Köpfe schütteln.

„Zigeuner“ sagt man nicht? Erst recht nicht in Verbindung mit „Feindlichkeit“? Aber ein großer Stamm des ehemals fahrenden Volks, der in Hamburg lebt, nennt sich selbst so, deshalb sollte ein Außenstehender es auch dürfen. Und da wir schon bei der Political Correctness sind: Durch Sprachreglungen und Bilderverbote ändert sich gar nichts, es sei denn zum Schlechteren. Wenn man von Angehörigen einer Minderheit, sagen wir von Rollstuhlfahrern, nicht sagen darf, dass diese Menschen nicht laufen können, weil das diskriminierend sei, dann läuft was schief.

Und dass gegen Sinti und Roma Vorurteile bestehen, ist leider auch eine Tatsache, die durch Schweigen nicht verschwindet. Aber was hat das Bilderverbot hier zu suchen? Vertreter von Sinti und Roma haben versucht, die Ausstrahlung des Tatorts „Brandmal“ zu verhindern, weil der Film eine üble Einstellung gegen ihr Volk zum Thema mache und diese bestärken könnte. Heilige Political Correctness!

Was macht man, wenn es im wirklichen Leben Leute wie den fiktiven Herrn Langner (ausgezeichnet verkörpert von Bernd Michael Lade) gibt, die tatsächlich Vorurteile gegen Sinti und Roma haben? Die glauben, dass aus Klaukindern ganz schnell Feuerteufel werden und sich mit Gleichgesinnten zusammentun, um die „mobile ethnische Minderheit“ – so das PC-Wort – zu vertreiben? Man kann die Augen davor verschließen. Man kann daraus aber auch einen Film gestalten, der in die Problemzone hineinleuchtet. Dies hat das WDR-Team mit Maris Pfeiffer in der Regie und Karl-Heinz Käfer als Buchautor getan, und es ist ihm hoch anzurechnen.

Das Verwirrspiel, das jeder Krimi braucht, ist diesmal noch eine Nummer verwirrender. Die Zahl der Verdächtigen steigt in der ersten Hälfte des Films kontinuierlich an, wobei das Thema Integration versus Fremdenangst und -feindlichkeit immer präsent bleibt. Ein guter Einfall war, dass der mit ermittelnde Polizist Mario Klemper (Christoph Bach) als Roma geoutet wird, weil sich dadurch die Fronten verschieben und vervielfachen. Und es wird klar, dass Integration möglich ist und dass Fronten kein Schicksal sind, sondern das Resultat von Versäumnissen und Sturköpfigkeit – auf beiden Seiten.

Ein paar schöne zarte Szenen hat der Bulle mit dem weichen Herzen, Ballauf, wenn er das Roma-Mädchen Lutvija vor seinen Verfolgern zu schützen versucht. Es fällt auf, dass die Verdächtigen wie auch die Opfer im Fernsehen immer jünger werden. Und dass der Kriminalisierung und Victimisierung von Kindern im wirklichen Leben eine womöglich überproportionale Zunahme von verdächtigen Kids in der Fernsehfiktion entspricht. Aber es wäre wohl nichts als hilflose Political Correctness dies anzuprangern. Barbara Sichtermann

„Tatort: Brandmal“, ARD, heute um 20 Uhr 15

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