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Tatort: Ladykillers

Der Frankfurter "Tatort" zeigt die Schattenseiten der Globalisierung im Stil der Coen-Brüder.

Über die Chemie der Frankfurter "Tatort"-Darsteller Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf lässt sich viel spekulieren - so undurchschaubar, so unspektakulär, so widerspenstig kommen Oberkommissarin Charlotte Sänger und Hauptkommissar Fritz Dellwo auf den ersten Blick daher. Die Ladyhaft-Verhuschte und der Manchmal-Macho - dicke Freundschaft sieht anders aus, auch wenn Sänger/Dellwo eine gemeinsame Ermittler-WG im Haus ihrer toten Eltern (!) bewohnen. Man hat bei den beiden immer irgendwie das Gefühl, dass das mit dem erträglichen Auskommen nicht für die Rollen, sondern auch für die Schauspieler dahinter gelten könnte. Trotzdem oder gerade deswegen: Die zwei, drei Fälle aus der Main-Metropole im Jahr gehören - neben dem verdeckten NDR-Ermittler Mehmet Kurtulus - zum Spannendsten, was der "Tatort" derzeit zu bieten hat.

Das gilt auch für die Stoffe. Dieser letzte große TV-Krimi des Jahres passt zum Thema 2008: der Finanzkrise, sprich der Globalisierung. Ein nackter Asiate liegt tot auf einer Hantelbank im Fitnessraum eines Frankfurter Flughafenhotels. Die Identität des Mannes ist unklar. Sänger und Dellwo finden heraus, dass das Opfer ein Chinese aus der Import/Export-Branche ist, der im Taunus lebte und in New York arbeitete. Der Krimi konfrontiert die Ermittler mit den Schattenseiten der Globalisierung. Es geht um Outsourcing von Dienstleistungen, Ausbeutung, Elend, Menschenhandel und am Ende auch um ganz Privates, um Träume und eine Familienfehde…

Regisseur und Autor Hendrik Hand loegten hat ähnlich eindrucksvolle Bilder gefunden wie schon Lars Kraume oder Margarethe von Trotta. Beide arbeiteten bereits für den HR-"Tatort". Fast die kompletten 90 Minuten spielt "Der tote Chinese" im und um den Frankfurter Flughafen. Und wenn es mal aus der glänzenden Business-Welt am Airporthotel herausgeht, sieht es im noblen Privathaus des Chinesen im Taunus mit seiner schönen, einsamen Frau (geisterhaft: Johanna Wokalek) auch nicht viel wärmer aus, nicht viel persönlicher. Dazu Unterführungen mit viel Graffiti, Lagerhallen und die armseligen Behausungen von Leiharbeitern.

Am spannendsten ist und bleibt aber die Beziehung der Protagonisten. Charlotte Sänger und Fritz Dellwo sind seit 2002 dabei. Sie haben sich im Konzert der 15 regionalen "Tatort"-Teams mit ihren privaten Geschichten und Schnorren eine unverwechselbare Note erspielt. Tragödie und Burleske liegen im Hessen-"Tatort" besonders nah beiein ander. Nicht nur im Kommissariat. Das geht in diesem Krimi vom Ausländer-Klischee (wozu treffen sich ein Chinese und ein Russe im Airport hotel? Zum Reden, Trinken, Torkeln) über krude Situationskomik (wenn Dellwo bis zur letzten Szene mit dem Rauchen kämpft) bis zum düsteren biografischen Mantel, den sich die Kommissarin Sänger/Sawatzki gleich am Anfang mit dem Doppelmord an ihren Eltern umgehangen hat und der alle Hessen-"Tatort"-Folgen einfärbt. Dellwo zieht nun aus dem Haus seiner Kollegin aus, in dem er zur Untermiete wohnte, weil er es nicht mehr aushält, "wie sie mit ihren toten Eltern zusammenlebt".

Starker Tobak im Grunde, passend zum Fall. Was sich hier die beiden großartigen Berliner Theater-Schauspieler Andreas Schmidt und Thorsten Merten als brutal-täppische Menschenhändler zusammenspielen, erinnert an die kauzig-schrägen Gangsterpaare aus den Kinofilmen der Brüder Coen ("Fargo", "Ladykillers").

Bildgewalt, Lakonie, Komik und Bitterböses, große Wirtschaftspolitik und kleine Familiengeschichten - was kann man vom letzten "Tatort" dieses seltsamen Jahres mehr erwarten?

"Tatort - Der tote Chinese", ARD, 20:15 Uhr

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