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Medien: „The Hamburg Cell“

Erster Film über die Attentäter vom 11. September

„I love you“ flüstert Ziad Jarrah ins Telefon auf dem Flughafen Newark, New Jersey. Am anderen Ende der Leitung in Hamburg ist seine türkische Frau Aysal. Für mehr reichen die Münzen nicht. In „The Hamburg Cell“ muss vieles ungesagt und noch mehr unerklärt bleiben. Der Film, der zum ersten Mal ein TV-Publikum in die Seelen der Attentäter vom 11. September 2001 führen will, hatte am Donnerstag im britischen Sender Channel 4 Premiere.

Nach der TV-Premiere sind die Filmfestspiele in Venedig die nächste Station. Nächste Woche schon wird der Film im französischen Fernsehen gezeigt. Dann wird sich zeigen, ob auch amerikanische Networks das umstrittene TV-Drama mit Kino-Potenzial übernehmen werden. In den USA hatte man sich bisher noch am wenigsten Mühe gemacht, den Motiven der Al-Qaida-Fanatiker ernsthaft auf die Spur zu kommen. Das aber will „The Hamburg Cell“ – laut Sender „das erste Dokumentardrama“ zum weltverändernden Anschlag vom 11. September 2001.

Schnelligkeit soll dabei kein Werbeeffekt sein. Im Gegenteil. Channel-Four-Dokumentarchef PeterDale betonte unermüdlich, wie viel Zeit man sich mit der Produktion gelassen habe und mit wie viel verantwortungsbewusster Behutsamkeit man vorgegangen sei. Die Produktionsfirma Mentorn arbeitete mit einem ganzen Rechercheteam, nichts kommt in dem Film vor, was nicht auf „bekannten Tatsachen und wirklichen Ereignissen basiert“, betont Regisseurin Antonia Bird. Drehbuchautor Ronan Bennett hat darüber mit erzählerischer Freiheit einen dramatischen Dialog gewoben, der das Dokumentarstück zu einem packenden Film macht. Die beklemmende Spannung rührt daher, dass wir den Ausgang nur zu gut kennen.

Hamburg, 1997. Eine Gruppe von Studenten aus moslemischen Ländern kommt in Berührung mit islamischen Fundamentalisten. Der Film, oft von Ferne aufgenommen, als würde er die Welt durch eine TV-Kamera und nicht aus den Köpfen der Protagonisten verfolgen, konzentriert sich auf drei Personen: Mohammed Atta, den vermutlich als Al-QaidaVerbindungsmann fungierenden Ramzi Binalshibh und Ziad Jarrah. Der Film will verstehen helfen, wie aus der Normalität ihres Alltags in Hamburg, dem oft nur schwer fassbaren Konflikt zwischen der westlichen Welt und dem Anspruch, ein „guter Moslem“ zu sein, der tödliche Fanatismus dieser Attentäter erwächst. „Ich wollte wissen, was diese Leute angetrieben hat, was sie erreichen wollten, wie sie zu Werke gingen. Was mich fasziniert, sind die Widersprüche und Krisen in ihren Leben“, erklärte Autor Bennett.

Jarrah, Sohn wohlhabender Libanesen, soll Zahnarzt werden, war an einer katholischen Schule und bis zum Schluss bleibt unklar, ein wie guter Moslem er eigentlich ist. Das Al-Pacino-Lächeln Jarrahs (Karim Saleh) bleibt undurchdringlich, wenn von der einen Seite das Gemurmel aus den Moscheen über die Demütigungen der Moslems im verkommenen Westen und von der anderen die Verlockungen der modernen Welt auf ihn eindringen, der Strand von Florida, schnelle Wagen.

Der Film nimmt keine Position der Sympathie und des Mitgefühls ein, sondern eine fast klinisch neutrale Perspektive, die sich ihrer Grenzen wohl bewusst ist. „The Hamburg Cell“ kann fast ganz auf die bekannten Schreckensbilder des 11. Septembers verzichten. Es wird ein dramatischer Raum geschaffen, in dem wir über die Attentäter nachdenken können.

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