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Lange im Nebel der Zeit verschollen, nun restauriert: Bereits 1931 wurde „Der Zinker“ verfilmt. Bei Arte mordet er wieder ab 22 Uhr 45. Foto: ZDF / Ondra-Lamac-Film

© Ondra-Lamac-Film/Hans G. Caspa

Themenabend: German Grusel

Arte geht dem Phänomen der Edgar-Wallace-Filme nach. Und zeigt den lange verschollenen "Zinker" von 1931 in einer restaurierten Fassung.

Die Einschüsse hämmern lautstark tiefe Löcher in die schwarz-weiße Leinwand und aus dem Off ertönt eine finster blecherne Stimme: „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“. Mit diesem Ausruf war ein Motto gegeben, das 13 Jahre lang eine Wiedererkennung garantierte. Eine Wiedererkennung für das deutsche Nachkriegspublikum, das millionenfach in die Lichtspielhäuser der jungen Bundesrepublik strömte, um sich mit anarchistischem Grusel made in Germany in eine andere Welt zu träumen.

Es war jene Epoche, in der in Deutschland die Kultreihe der Edgar-Wallace-Verfilmungen anlief. Die 60er Jahre hatten gerade begonnen: Aus England kam mit Sean Connery der erste James Bond auf die Leinwand, „007 jagt Dr. No“. In Frankreich etablierten Claude Chabrol, Jean-Luc Godard und andere die avantgardistische Bewegung der „Nouvelle Vague“. Und in Deutschland, da fegten „Das indische Tuch“ oder „Die seltsame Gräfin“ die Straßen leer. Eine Kinolegende war geboren, die seit ihren regelmäßigen Wiederholungen mithin zur Fernsehlegende wurde. Der deutsch-französische TV-Sender Arte hat dem Phänomen am Sonntag einen Themenabend gewidmet.

„Es war zunächst eine Art Experiment“ sagt Joachim „Blacky“ Fuchsberger in der Dokumentation „German Grusel“. Fuchsberger war von Anfang an dabei und spielte in einer Vielzahl von Wallace-Produktionen bis 1972 den positiv besetzten Helden. Der Anfang, das war das Jahr 1959, in dem die erste Wallace-Adaption in die Kinos kam, „Der Frosch mit der Maske“ (Regie: Harald Reinl). „Die allgemeine Erwartung war gleich null – und der Erfolg war gewaltig“, erzählt Fuchsberger weiter.

Der Arte-Themenabend beginnt mit „Das Gasthaus an der Themse“ in der Regie von Alfred Vohrer. Es war der erfolgreichste der insgesamt 38 Filme – seinerzeit gingen 3,6 Millionen Besucher allein bei diesem teutonischen Gruselkrimi in die Kinos. Neben der Dokumentation ist die Erstausstrahlung einer frühen, lange verschollenen und erst 2009 restaurierten Wallace-Verfilmung aus dem Jahre 1931 zu sehen: „Der Zinker“ (Regie: Carl Lamac und Martin Fric). Zu den Mitwirkenden gehörte Fritz Rasp („Metropolis“), der 30 Jahre später in der einen oder anderen 60er-Jahre-Adaption erneut mit diabolischer Finsternis auftrat. In Oliver Schwehms einstündiger Dokumentation „German Grusel“ kommen mehrere unmittelbar Beteiligte zu Wort, neben Fuchsberger auch Karin Dor und Karin Baal sowie Filmkomponist Peter Thomas. Des Weiteren, aus nachfolgenden Generationen, Felix Wendlandt, der Enkel des Produzenten der damaligen Rialto-Film, Horst Wendlandt und Komiker Oliver Kalkofe, der in den beiden neueren „WiXXer“-Wallace-Parodien reichlich Zitatwerk von einst lieferte.

Die 60er Jahre waren in Deutschland eine biedere Zeit. „Die Wallace-Filme waren das Fenster nach England“, sagt Oliver Kalkofe, und der deutsche Kinogänger wurde von diesen Filmen in die vermeintlich große weite Welt entführt. Eine anglophile Wallace-Welt, grotesk und absurd, skurril und humoristisch, gruselig und horroresk: „Die Edgar-Wallace-Filme ließen der Fantasie des Zuschauers freien Lauf – das war alles geheimnisvoll, mystisch und märchenhaft“, sagt Karin Dor. Während Joachim Fuchsberger heroisch wechselweise den „Schwarzen Abt“ oder den „Hexer“ jagte und die blonde oder brünette Protagonistin beschützte, klamaukte sich Eddi Arent als unbeholfener Butler oder nicht minder begabter Kommissarsassistent durch die schwarz-weiße Szenerie. Derweil Klaus Kinski mit stets nervösem Lippenzucken irgendwo hinter einem Busch oder einer doppelten Schrankwand lauerte, einem Bedrohten etwas noch Bedrohlicheres leise zuflötete, um danach mit manischem Gestus direkt in die Kamera zu blicken. Viele namhafte Akteure gingen bei den Wallace-Produktionen ein und aus, viele Größen des deutschen Theaters wollten unbedingt einmal durch Horst Wendlandts englische Schloss- und Nebelkulissen in Berliner Studios stapfen, darunter finden sich Namen wie Dieter Borsche, Elisabeth Flickenschildt oder Lil Dagover.

Das vermeintlich Absurde am deutschen Wallace-Gruselkrimi ist: In seiner absoluten Zeitverhaftung in den 60er Jahren ist er darüber hinaus in einer vollkommenen Zeitlosigkeit angekommen – das ist bis heute so.

„Themenabend: Die-Edgar-Wallace-Filme“, Arte, ab 20 Uhr 15

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