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Thomalla und Wuttke im Interview: „Spannend? Nein, der ,Tatort’ ist nicht spannend“

Die Energische und der Zweifler: Ein Gespräch mit Simone Thomalla und Martin Wuttke über das Erwartbare, das Enttäuschende und das Erfolgreiche im Krimi

Es sah schwer aus, nach dem Duo

Peter Sodann und Bernd Michael Lade das Publikum für sich einzunehmen, aber

Simone Thomalla und Martin Wuttke haben es sofort geschafft: Ihr „Tatort“ aus Leipzig gehört seit Mai 2008 zu den erfolgreichsten in der ARD-Krimireihe.

Fernsehstar traf auf Theaterstar. Die

gebürtige Leipzigerin Thomalla arbeitet seit Ende der 80er Jahre für das Fernsehen. Was mit Serien wie „Unser Lehrer Dr. Specht“ begann, sind heute Primetime-

Auftritte wie „La Dolce Rita“ und andere Hauptrollen wie im

Kinodrama „Bis aufs Blut“.

Martin Wuttke, von „Theater heute“

zwei Mal zum „Schauspieler des Jahres“ gekürt, hat in der

Heiner-Müller-Inszenierung des Brecht-

Stückes „Der aufhaltsame Aufstieg

des Arturo Ui“ brilliert,

zuletzt drehte er mit Quentin Tarantino: „Inglurious Basterds“.jbh

Frau Thomalla, ist es schwer, Herrn Wuttke zu mögen?

THOMALLA: Nein, überhaupt nicht. Ich mag den Wuttke. Man hat am Anfang ein bisschen Angst vor ihm, aber das geht schnell vorbei.

Was ist denn so angsteinflößend an Herrn Wuttke? Er sieht doch ganz harmlos aus.

THOMALLA: Der guckt manchmal so ...

Herr Wuttke, Sie gucken nicht nur so, Sie gelten auch als großer Schweiger.

WUTTKE: Wieso denn das? Ich weiß nicht, woher so was kommt.

THOMALLA: Vielleicht liegt es daran, dass Martin nicht auf jede dumme Frage antwortet.

Mit dummen Fragen muss man als „Tatort“-Kommissar wohl leben, das ist der Preis des Ruhms. „Tatort“-Kommissare sind bekannt wie bunte Hunde. Eine Last für Sie?

WUTTKE: In Berlin gehört es ja Gott sei Dank zum guten Ton, dass man in Ruhe gelassen wird. Ich kann mich frei bewegen, und das genieße ich. In Wien zum Beispiel ist das ganz anders. Da wird man auf der Straße immer wieder angesprochen. Aber doch fast immer mit freundlicher Distanz. Einem Wiener Taxifahrer fiel erst nicht ein, woher er mich kannte. Dann, nach einer Weile: Na, i waas, Sie sind der Grantler aus dem Fernsehen.

Wie wichtig ist Ihnen die erfolgreichste Krimireihe im deutschen Fernsehen?

THOMALLA: Für mich ist sie sehr wichtig. Der „Tatort“ hat mich als Schauspielerin gewissermaßen offiziell in der Ober-Liga etabliert. Und mit Martin Wuttke zusammen spielen zu können, ist dann für mich Champions League.

WUTTKE: Der „Tatort“ ist für mich wie ein Ausflug in eine andere Welt, die ich bis dahin kaum kannte. Die Entwicklung dieser Figur Keppler und des Verhältnisses der beiden Kommissare zueinander hat gerade erst angefangen. Im Moment geht alles noch sehr konventionell zu. Aber das Potenzial ist da. Es wäre noch viel mehr drin. Wenn man uns ließe.

Klingt nach Unglück im Glück.

THOMALLA: Die Konstellation Saalfeld/Keppler und ihre gemeinsame Vergangenheit bieten unheimlich viele Möglichkeiten, spannende Kriminalfälle zu erzählen. Und wir arbeiten gemeinsam mit dem Sender, dem Produzenten und den Autoren daran, nennen wir es: zu optimieren.

WUTTKE: Ich musste schmerzlich lernen: Im Theater geht es schneller, direkter und klarer zu. Fernsehen ist anders. Für mich ist kaum nachzuvollziehen, wie lange es dauern kann, bis Entscheidungen über Drehbücher oder auch nur Änderungen an Drehbüchern fallen. Das zu akzeptieren fällt mir schwer. Aber ich bin auch sehr ungeduldig.

Ist Ihnen Ihr „Tatort“ zu brav?

WUTTKE: Beim Fernsehen läuft es, egal ob Komödie oder Krimi oder Talkshow, auf die Reproduktion des immergleichen Weltverständnisses hinaus. Beim „Tatort“ heißt das zum Beispiel: Es muss immer begründet werden, warum die Menschen Verbrechen begehen. Sie sind in Not und können aus psychologischen Gründen nicht anders. Sicher, man kann sich die Welt so erklären. Man muss es aber nicht. Der Sender, die Produzenten sagen, die Leute wollen das so, acht Millionen lügen nicht. Aber vielleicht gibt es auch ein paar Millionen, die sich gerne einen Krimi ansehen würden, der ganz anders wäre.

Wie viel Moral verträgt dieser Krimi?

THOMALLA: Viel Doppelmoral. Aber am Ende siegt immer die Gerechtigkeit. Und das muss auch so sein. Ein „Tatort“ kann Anstöße geben. Nehmen Sie das Thema Gewalt in der Familie, um das es in „Schwarzer Peter“ ging. Ich bin mit diesem Thema in Talkshows gewesen und sonst wo. Wenn es mir gelungen sein sollte, auch nur einer Frau Mut gemacht zu haben, sich zu wehren, dann hat sich das gelohnt, dann habe ich viel erreicht.

Herr Wuttke, Ihr Keppler ist zu vielem, wenn nicht zu allem fähig, oder? Aber er darf es nicht.

THOMALLA: Nein, er darf es nicht.

WUTTKE: Es wäre aber doch vielleicht auch mal ganz schön, wenn dieser Keppler zu weit ginge und seine hübsche Kollegin dann mal ohne ihn auskommen müsste. Es gibt im Leben Situationen, die Menschen unvermittelt aus der Bahn geraten lassen. Warum sollte das nicht auch einmal im „Tatort“ passieren?

THOMALLA: Und ich darf dann wieder alles ausbügeln, na Danke schön.

Ein Kritiker hat über Ihre Rolle, Frau Thomalla, geschrieben, Sie hätten den schwierigeren Part.

THOMALLA: Guter Mann. Name, Adresse!

Finden Sie „Tatorte“ spannend?

THOMALLA: Ich erkläre mich in dieser Sache für befangen. Mich irritiert viel mehr, wenn Leute sagen, ihr wart mal wieder super, aber die Geschichte, die hab’ ich nicht wirklich verstanden. Ich finde, viele „Tatorte“ sind viel zu kompliziert angelegt.

WUTTEKE: Spannend? Nein. Für einen spannenden Film braucht es das Unvorhersehbare. Das geht einem „Tatort“ völlig ab. Da geht es eher darum, das Vorhersehbare unterschiedlich zu gestalten. Man könnte natürlich versuchen, spannende „Tatorte“ zu machen. Aber dann würde man vielleicht riskieren, einen Teil des Stammpublikums zu verlieren, aber könnte vielleicht ein neues Publikum gewinnen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ein Fall einmal ungelöst bleibt.

THOMALLA: Und dann?

WUTTKE: Dann würden die Kommissare am Ende ratlos dastehen und sich fragen, was da eigentlich passiert ist.

THOMALLA: Aber möchte ich Sonntag- abend so in die neue Woche entlassen werden? Dann doch lieber mit der frohen Botschaft, dass das Arschloch gefasst ist.

Frau Thomalla, über Herrn Wuttke ist einmal gesagt worden, er sei ein Vulkan, der den Erloschenen spiele. Möchten Sie nicht auch so was Schönes über sich lesen?

THOMALLA: Was glauben Sie, was ich schon alles über mich gelesen habe. Da wäre Vulkan wie Zündeln mit ''nem Streichholz.

Wer von Ihnen beiden ist der misstrauischere Mensch?

THOMALLA: Martin, du zuerst.

WUTTKE: Wer Simone zum ersten Mal begegnet, denkt sicher vieles, aber wahrscheinlich kaum, dass sie ein misstrauischer Mensch sein könnte. Aber ich glaube: Sie ist es. Auf jeden Fall mindestens so misstrauisch, wie ich es bin.

THOMALLA: Was soll ich sagen: Das stimmt.

Aber warum sind Sie misstrauisch?

THOMALLA: Weil Misstrauen ein gesundes Stück Vorsicht bedeutet. Es bewahrt einen vor Kamikaze-Aktionen.

WUTTKE: Ich würde es nicht Misstrauen nennen, sondern Distanz. Distanz ist unabdingbar. Ohne Distanz würden wir uns heillos verfangen.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

„Tatort: Falsches Leben“, 20 Uhr 15, ARD

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