zum Hauptinhalt
Alles glänzt, so schön neu. Während Nils (Mark Waschke) im Kreis seiner Machonachbarn auflebt, verzweifelt seine Frau Laura (Heike Makatsch) im Hochsicherheitsnest. Foto: HR

© HR/Philipp Haberlandt

Thriller „Sechzehneichen“ in der ARD: Heike Makatsch in der Horror-Siedlung

„Man will doch wissen, mit wem man sich diesen Traum hier teilt“: Am Mittwochabend sendet die ARD den Film "Sechzehneichen". Darin erzählt Hendrik Handloegten vom Horror in einer exklusiven Siedlung und lässt Heike Makatsch leiden.

Wie nett: Die Nachbarn schenken den neuen Mitbewohnern ein Gemälde, eine Kopie des „Jungbrunnens“ von Renaissance-Maler Lucas Cranach d. Ä. Von links werden die alten, gebrechlichen Frauen auf Wagen und Karren herangeschafft, sie steigen in das Bad und klettern auf der rechten Seite als blühende Schönheiten heraus. „Herzlich Willkommen, Eure Sechzehneichener“, steht auf der beigefügten Karte. Ein verheißungsvoller Neubeginn für die Eichhorns, die wegen der Allergie von Laura (Heike Makatsch) aus der Stadt geflohen sind, samt Ehemann Nils (Mark Waschke) und Töchterchen. Und für den nächsten Abend haben die Nachbarn ein Willkommensfest organisiert. „Man will doch wissen, mit wem man sich diesen Traum hier teilt“, sagt Ludwig (Marc Hosemann), der Arzt in der exklusiven Siedlung.

Der „Traum“ besteht aus einer abgeschotteten Wohnanlage, weiten Rasenflächen, alleinstehenden, großzügigen Häusern, Tennisplätzen, einer Versammlungshalle. In Sechzehneichen haben sich Besserverdienende ein Refugium geschaffen, eingezäunt, aber ökologisch korrekt, das verbaute Holz stammt nur aus kontrolliertem Forstanbau. Und tatsächlich scheint die Siedlung eine Art Jungbrunnen zu sein. Ältere Menschen gibt es nicht. Dafür viele schöne Frauen, die offenbar aus einer Vergangenheit stammen, als ihnen nur die Rolle des Begleitschmucks zugestanden wurde. Laura, eine von Selbstzweifeln geplagte Fotografin, ist jedenfalls nach der Party irritiert von den etwas oberflächlichen Gesprächen mit ihren im Retrostil aufgedonnerten Nachbarinnen. Ihr Gatte Nils (Mark Waschke) sieht das lockerer, und als er später Arte einschaltet, wird noch ein besonderes Interesse geweckt. Auf der Party haben die Männer auffällig auf die Sendung um Viertel nach Zwölf hingewiesen, doch statt der Doku über die frühen 1960er Jahre sieht Nils Eichhorn im Fernsehen Nachbarin Marlene (Lavinia Wilson) beim Sex mit mehreren Männern. Der Jungbrunnen als Männerfantasie.

„Sechzehneichen“ ist der nächste Streich von Regisseur Hendrik Handloegten („Ein spätes Mädchen“), der für diesen bösen, stilistisch herausragenden Genre-Mix auch gemeinsam mit Achim von Borries („Was nützt die Liebe in Gedanken“) das Drehbuch geschrieben hat. Es handelt vom Schrecken einer geschlossenen, eingekapselten Welt. Die gutbürgerliche Gemeinschaft in dieser Siedlung wirkt sauber und edel, doch ihre Sehnsucht nach Sicherheit, Schönheit und Glück entpuppt sich als im Kern verkommen. Gier ist geil im vermeintlichen Paradies. Es regieren die offenbar wohlhabenden Männer, die sich die Frauen mit Glückspillen gefügig machen. Die Figuren scheinen aus den 1960er Jahren zu stammen, doch der unheimliche Ort erinnert zugleich an künstliche, mit Robotern bevölkerte Science-Fiction-Welten.

Ein Horrorfilm, der sich als Krimi tarnt

Der neu zugezogene Nils Eichhorn fühlt sich durchaus angezogen von der Aussicht auf das totale Männerglück. Handloegten und sein Kameramann Philipp Haberlandt erzählen das nicht ganz so surreal wie zuletzt im „Polizeiruf 110: Fieber“, als der angeschossene Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) auf schneebedeckte Berge kletterte.

Fantastisch ist die Szene im Wartezimmer von Ludwig allerdings schon. Eichhorn wirkt dort in diesem leeren Raum vom Ausmaß einer Turnhalle verloren, während sich ihm eine schöne, in Blau gehüllte Frau gegenübersetzt. Die Bilder bleiben erotisch unterkühlt. Von Emanzipation keine Spur, Frauen wie Männer fallen irritierend schnell in alte Rollenbilder zurück. Bis auf Laura Eichhorn, die allmählich zur Gejagten wird. Waschke, der so häufig schon den verständnisvollen Softie gespielt hat, darf hier mal eine abgründige Figur sein. Denn die Männer sind nicht nur blind von ihrer Gier getrieben, sondern auch von kalter Durchtriebenheit.

Ein Horrorfilm also. Aber einer, der sich zu Beginn als Krimi tarnt. Da sitzt in einer Vorblende Nils Eichhorn beim Verhör. Verzweifelt, vielleicht schuldbewusst, beteuert er, er liebe seine Frau und seine kleine Tochter. Aber wo die beiden jetzt seien, wisse er nicht. Schließlich sieht man ihn inmitten des zerstörten Wohnzimmers der Eichhorns in Sechzehneichen – doch das ist in diesem aufregenden Fernsehstück noch nicht das vorweggenommene Ende des Schreckens.

„Sechzehneichen“, 20 Uhr 15, ARD

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false