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Medien: Tod einer Moderatorin

Shaima Resaji präsentierte die afghanische Musikshow „Hop“. Jetzt fand man sie mit einer Kugel im Kopf

Shaima Resaji war ein Symbol dafür, dass es aufwärts ging mit der Freiheit für Frauen in Afghanistan. Eine Frau, 24, die eine Musiksendung moderierte. Ohne Burka, klar. Nicht einmal einen Schleier trug sie, dafür enge Jeans. Ihre Moderationen der Sendung „Hop“ des privaten Kabuler Fernsehsenders „Tolo TV“ erinnerten an westliche Vorbilder. Und hin und wieder erlaubte Shaima Resaji sich sogar, ihren männlichen Kollegen auf die Schenkel zu klopfen.

Die freie junge Journalistin wurde in der vergangenen Woche mit einer Kugel im Kopf in ihrer Wohnung im Kabuler Stadtteil Tschar Kala aufgefunden. Noch ist nicht geklärt, ob es sich um Mord handelt. Vielleicht wurde sie auch in den Selbstmord getrieben, denn sie wurde von Konservativen verleumdet. „Ein Mörder muss nicht immer eine Waffe in der Hand haben“, sagt Nushin Kochi, eine Kollegin, die mit Resaji in den letzten Wochen regelmäßig sprach. „Ich wollte ihr helfen, aber es war zu spät.“ Shaima Resaji wird im Tod zum Symbol dafür, wie wenig es aufwärts gegangen ist mit der Freiheit für Frauen in Afghanistan.

Was immer die Ermittlungen ergeben: Das Drama um die Moderatorin markiert einen neuen Höhepunkt in einem Kulturkampf, der seit dem Ende der Talibanherrschaft eingesetzt hat. Dabei geht es um die Frage, welchen Einfluss Religion in Zukunft in der Gesellschaft haben soll.

Dreieinhalb Jahre nach der Vertreibung der radikal-islamischen Milizen, die Musik, Tanz und sogar das Drachen-steigen-lassen verboten hatten, genießt vor allem die städtische Jugend ihre neue Freiheit. Die jungen Afghanen surfen im Internet. In den Chatrooms trauen sie sich sogar, miteinander zu flirten. Im Fernsehen schauen sie indische, türkische und westliche Musikvideos. Shaima Resajis’ Sendung „Hop“ hatte eine gute Quote, sie orientierte sich am Programm des Musiksenders MTV. „Sie war immer lustig“, sagt der junge Arzt Qasim Sahebi aus Kabul. Den Konservativen missfiel die Sendung von vorne herein. Der „Rat der Religionsgelehrten“ unter Führung des Obersten Richters, Fazl Hadi Shinwari, bezeichnete die Sendung als „unmoralisch und unislamisch“ und forderte Resajis Entlassung. Der Sender „Tolo TV“ knickte daraufhin ein und feuerte Shaima Resaji.

Ihre Kollegin Nushin Kochi erzählt, dass die Kündigung in der Nachrichtenredaktion aufgehängt wurde: „Es wurde ihr vorgeworfen, Alkohol zu trinken und Affären zu haben.“ Letztlich habe ganz Kabul davon gesprochen. „Das kommt“, sagt Kochi, „in der afghanischen Gesellschaft für eine Frau einem Todesurteil gleich.“ Danach habe Resaji monatelang Depressionen gehabt. „Sie fand keinen Job mehr, und es war klar, dass kein Mann bereit sein würde, sie zu heiraten“, sagt Kochi.

Resaji suchte Hilfe bei der Unabhängigen Menschenrechtskommission in Kabul. „Als sie zu uns kam, fühlte sie sich vollkommen allein“, sagt Qasem Achgar von der Unabhängigen Menschenrechtskommission. Das Vorgehen des Senders sei inakzeptabel, „Tolo TV“ trage eine Mitschuld am Tod der ehemaligen Mitarbeiterin. „Egal ob es Mord oder Selbstmord war, das Entscheidende war die Propaganda gegen sie“, sagt Achgar.

In den Monaten vor ihrem Tod schloss sich Resaji in ihrer Wohnung ein und ging höchstens noch mit Burka aus dem Haus, um einen Hamam, ein öffentliches Bad, zu besuchen. „Sie hat mir oft gesagt: Die alte Shaima gibt es nicht mehr“, sagt Nushin Kochi. Den Tod der Freundin empfindet sie als „schweren Rückschlag für die Frauen in Afghanistan“.

Unklar ist, welche Rolle die Familie der Moderatorin spielt. Shaima Resaji hatte sich bei der Menschenrechtskommission beschwert, dass ihr Bruder sie geschlagen habe. Doch der Bruder behauptet, dass die Familie voll hinter Shaima gestanden habe: „Die ganze Familie ist von ihrem Programm begeistert gewesen und wir haben ihr oft Vorschläge gemacht, wie sie die Sendung noch verbessern kann“, sagt Jawed Resaji. Er gibt allein „Tolo TV“ die Schuld am Tod der Schwester. Durch die Kündigung habe man sie in den Selbstmord getrieben.

„Wir müssen die Gründe bei uns selbst suchen“, sagt Menschenrechtsanwalt Achgar. „Die Regierung muss die Frage beantworten, warum es nicht möglich war, eine junge Frau zu retten.“

Doch die Ministerien in Kabul sagen bislang nichts zum Tod der Moderatorin. Achgar glaubt, dass das keine Nachlässigkeit ist. Das Problem mit Frauen im Fernsehen, sagt er, würde gar nicht existieren, wenn nicht interessierte Politiker und Parteien damit Emotionen schüren könnten. Und das hat in dem Land am Hindukusch eine lange Tradition. „Die Frauenfrage war schon im letzten Jahrhundert ein zentrales politische Thema: Über die Rechte der Frau stiegen Könige und Politiker auf oder stürzten ab“, sagt die Historikerin Huma Ahmed Gosh.

Britta Petersen[Kabul]

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