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Tour de France: Gute Zeichen, schlechte Zeichen

Der Verdacht fährt weiter mit: ARD/ZDF haben die Tour ohne Ausstieg hinter sich gebracht – doch die Fragen bleiben.

Über die Frage, wann hinter mehreren scheinbar zusammenhängenden Einzelfällen eine Systematik zu erkennen ist, könnte man stundenlang diskutieren. Vor allem mit den Verantwortlichen von ARD und ZDF. Beide Sender haben bis gestern 21 Tage lang die Tour de France übertragen. Eine „Tour der Erneuerung“ sollte es werden, im Jahr 1 nach den Dopingskandalen 2007. Seinerzeit waren ARD und ZDF nach der neunten Etappe wegen des Dopingfalls Patrick Sinkewitz aus der Liveberichterstattung ausgestiegen. Eurosport und einen Tag später Sat 1/Pro 7 übernahmen das öffentlich-rechtliche TV-Heiligtum. Ohne viel Erfolg, die Privatsender hatten schlechtere Quoten (siehe Grafik; Sat 1 teilt nur eine Durchschnittszuschauerzahl mit). 2008 machten ARD und ZDF mit der Tour weiter, mehrere Stunden am Tag. Zwar nicht mehr ganz so jubelnd wie früher, doch mit reichlich Landschafts- oder Weinbeschreibungen und weichgespülten Reportagen. Sowie der Drohung von ZDF-Chef Brender vor der Tour: „Die Tour-Beteiligten müssen willens und in der Lage sein, systematisches Doping zu unterbinden. Wenn nicht, müssen wir Konsequenzen ziehen.“

Man konnte und kann das Durchatmen förmlich durch den Bildschirm spüren. Keine Konsequenzen. Doping während der Tour schon, insgesamt drei offiziell nachgewiesene Fälle. Wenn darüber hinaus zwei Fahrer aus demselben Team (Ricco und Piepoli) offenbar mit Doping zu tun haben und ihre Mannschaft (Saunier Duval) daher aus der Rundfahrt aussteigt, drängt sich der Eindruck einer gewissen Systematik auf. Nicht für ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. „Es gab zwei Messlatten für die Berichterstattung: Tut der Veranstalter ASO alles im Kampf gegen Doping, wird nichts vertuscht? Und: Hat unter den Radsportlern ein erkennbares Umdenken stattgefunden?“ Ihr Versprechen habe die ASO eingelöst, in Verbindung mit der französischen Antidopingagentur. „Wir können nicht von einem flächendeckenden Doping sprechen.“ Ins selbe Horn stößt Roman Bonnaire, Sportchef des Saarländischen Rundfunks. „Es hat keinen Fahrer gegeben, der alles dominiert hätte, wie zu oft in der Vergangenheit. Das ist ein gutes Zeichen. Wir glauben, dass diese Tour ein Schritt nach vorn im Anti-Dopingkampf war.“ Die Akzeptanz bei den Zuschauern sei besser geworden. Und mit den Recherchen über das Angebot eines spanischen Labors, Blutprofile zu erstellen, hätte die ARD auch aufgezeigt, dass es noch immer Strukturen im Hintergrund gibt, die fragwürdig sind.

Stimmt, das war ein durchaus kritisch-investigativer Dopingbeitrag in der „Tagesschau“ – der kurz darauf vom Etappenbericht übertönt wurde. Der Verdacht fährt eben einfach weiter mit. Das Fernsehen glaube weiterhin an Wunder, weil sie der Quote dienen, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ am Wochenende, vor dem Hintergrund „mafiöser Radsportzirkel“, neuer Verdächtigungen um das CSC-Team und deren etwaiger Besuche beim Dopingarzt Fuentes. Ein ZDF-Reporter befragte dazu Teamchef Bjarne Riis am Samstag nach dem Einzelzeitfahren. Sind die Behauptungen falsch? „Genauso ist es.“ Sollen wir Ihnen als ehemaligem Dopingsünder glauben? Riis: „Diese Zeit ist vorbei. Glauben Sie mir.“ Und dann hinterher ZDF-Moderator Rudi Cerne: „Was davon zu halten ist, muss jeder für sich persönlich ausmachen.“ Im Herbst wollen ARD und ZDF ausmachen, ob sie in den kommenden Jahren weiter von der Frankreich-Rundfahrt berichten. Innenminister Wolfgang Schäuble hat gesagt, sie sollten das lieber nicht tun.

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