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Der Spanier Alberto Contador, der die Tour de France 2009 gewonnen hat, gilt unter deutschen TV-Zuschauern nicht gerade als Aushängeschild des sauberen Radsports. Foto: AFP

© AFP

Tour-TV: Am Quotenberg

ARD und ZDF wollen die zu Eurosport abgewanderten Fans der Tour de France zurückholen - durch längere Live-Berichte und Rennbilder in HD.

Richtig schön ist Sport nur live. Das gilt auch für die Tour de France. Selbst die Rückkehr des siebenmaligen Toursiegers Lance Armstrong änderte 2009 nichts daran, dass die Quoten von ARD und ZDF nach der Halbierung der Live-Berichte in den Keller rauschten. Statt zuvor 1,4 Millionen Zuschauern (8,5 Prozent Marktanteil) wurden im Durchschnitt nur noch eine Million bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gezählt. Dagegen verfolgten 672 000 Zuschauer die Tour bei Eurosport, dreimal mehr als 2008. Der Sender zeigte mit 80 Stunden aber auch viermal so viel Tour wie die Öffentlich-Rechtlichen. Steffen Demuth, der neue Chef des gemeinsamen Tour-Teams von ARD und ZDF, will bei der am Samstag in Rotterdam startenden 2010er Tour zumindest einen Teil dieser Zuschauer ins „öffentlich- rechtliche System“ zurückholen. „Wenn wir einen höheren Marktanteil hätten als im vergangenen Jahr, wäre das in der ARD-Arithmetik ein Erfolg“, sagt der Mann vom Saarländischen Rundfunk und macht klar, wo für die Tour de France 2010 (3. bis 25. Juli) die Messlatte liegt.

Die Chancen stehen nicht schlecht: Wie zuvor berichten ARD und ZDF im Wechsel nun wieder täglich eine Stunde lang live. An Wochentagen wird dafür ein Fenster von 16 Uhr und 17 Uhr 30 offen gehalten. Die Tour 2010, das sind 21 Etappen durch die Niederlande, Belgien und Frankreich mit insgesamt 3600 Streckenkilometern. Bei entscheidenden Etappen wie dem Aufstieg zum Tourmalet – der wegen des hundertjährigen Jubiläums der Pyrenäenetappen gleich zweimal angefahren wird – bleiben die Sender auch länger dabei.

Die Halbierung der Liveberichte im vergangenen Jahr war ohnehin eine Ausnahme. Um nach den Dopingfällen Stefan Schumacher und Bernhard Kohl im Jahr 2008 einen kompletten Ausstieg von der Tourberichterstattung zu verhindern, gestand der Tourveranstalter ASO dies den beiden Sendern 2009 einmalig zu. Der Vertrag der Europäischen Rundfunkunion, zu der auch ARD und ZDF gehören, und dem Tour-Veranstalter läuft noch bis nach der Tour de France 2011. Danach wird sich zeigen, was den deutschen Sendern der Radsport wert ist. Die Hardcore-Radsportfans, die sich auch für die anderen Rundfahrten wie Giro d’Italia und die Vuelta in Spanien oder die vielen kleineren Rennen interessieren, haben ohnehin eher bei Eurosport ihre Heimat. Konkurrent Sport 1 (ehemals DSF) unternimmt nur ab und zu wie zuletzt bei der Tour de Suisse Ausflüge ins Radsportfeld.

Durch die Rückkehr zum gewohnten Sendekonzept bei ARD und ZDF kann zudem einem anderen Wunsch der Zuschauer wieder stärker entsprochen werden: Mehr Berichte über Land und Leute, aber auch über Material und Technik. „Die Zuschauer haben uns wieder darauf hingewiesen, dass sie auch die touristischen Aspekte an diesem Weltsportereignis schätzen“, sagte Demuth, der die Tour bereits seit 1998 von der Heimatredaktion in Saarbrücken aus begleitet hat.

Einfach nur länger auf der Strecke zu bleiben, ist jedoch für Demuth keine Lösung. „Journalistischen Mehrwert“, verspricht er den Zuschauern und will die Faszination Tour de France wieder stärker transportieren. „In Frankreich stehen hunderttausende Radsportfans an der Strecke, dort ist die Tour ein echtes Volksfest. Mit einer halben Stunde war das schwer zu vermitteln.“

Und der ein oder andere Erfolg eines deutschen Fahrers wie Tony Martin, Linus Gerdemann oder Jens Voigt kann auch nicht schaden. „Wir werden sicher nicht nur danach schauen, wer im Tour-Ranking ganz vorn fährt“, sagt Demuth. An der Frage, ob Lance Armstrong bei seiner letzten Tour-Teilnahme Alberto Contador schlagen kann und welche Chancen die luxemburgischen Schleck-Brüder haben, werden auch ARD und ZDF nicht vorbeikommen.

Dass sich der ARD/ZDF-Tourchef wieder etwas stärker für dieses Radrennen begeistern kann, hat vor allem mit den größeren Anstrengungen des Weltradsportverbandes UCI und des Tour-Veranstalters ASO im Kampf gegen das Doping zu tun. „Die Tour ist eines der am besten untersuchten und kontrollierten Sportereignisse der Welt. Da wird besser kontrolliert als bei Olympischen Spielen oder im Wintersport“, ist Demuth überzeugt. Die kritische Distanz bleibt gewahrt, dafür steht unter anderem der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt, der das öffentlich-rechtliche Tourteam unterstützt.

Der Aufwand für die Tour-Berichterstattung bleibt immens. Rund 90 Mitarbeiter von ARD und ZDF werden die dreiwöchige Rundfahrt begleiten. Auf dem Höhepunkt der Radsportbegeisterung in Deutschland, als das Duell von Jan Ullrich gegen Lance Armstrong noch die Nation bewegte, waren bis zu 150 Journalisten und Techniker von ARD und ZDF in Frankreich dabei. Das ZDF tritt dieses Jahr wieder mit seinem Tourteam unter der Leitung von Peter Kaadtmann an: Live-Reporter sind Peter Leissl und Michael Pfeffer, die Moderation der Sendungen liegt bei Yorck Polus. Im Ersten kommentieren Florian Nass und Florian Kurz die Rennen, Thomas Braml moderiert die Sendungen.

Eine weitere Neuerung ist in diesem Jahr technischer Natur: Erstmals wird die große Schleife in High-Definition ausgestrahlt, auch alle Berichte rund um die Tour entstehen in HD. Aufnahmen von früheren Rennen werden „aufgeblasen“, wie Demuth das Hochrechnen der Bilder ins HD-Format nennt. Noch mehr Tour de France gibt es im Internet unter tour.ard.de und www.tour.zdf.de, auch die Hörfunkprogramme der ARD schalten während der nächsten drei Wochen auf Tour-Funk.

Die ganz großen Quotenerwartungen haben die öffentlich-rechtlichen Sender dennoch nicht, zumindest nicht in der ersten Woche, in der die Zuschauer „inhaltlich noch auf die Fußball-WM fokussiert sind“, wie Demuth sagt. Das wirkt sich bereits am Samstag auf die Berichterstattung aus. Den Prolog aus Rotterdam wird das ZDF darum erst um 19 Uhr 30 in einer Zusammenfassung zeigen. Am Sonntag überträgt die ARD die erste Etappe dann aber in „Sportschau live“ bereits ab 15 Uhr 33. Die Eurosport-Tour geht am Samstag um 15 Uhr und am Sonntag um 13 Uhr 45 auf Sendung.

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