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Medien: „Transparenz wird nur vorgegaukelt“

Hajo Seppelt und Jo Goll haben einen Film über Dopingpraktiken chinesischer Sportler gedreht

Herr Seppelt, Herr Goll, muss man davon ausgehen, dass bei den Olympischen Spielen in Peking ein Heer vollgepumpter Athleten um Medaillen kämpfen wird?

SEPPELT: Ich glaube nicht, dass es in China derzeit ein von staatlichen Stellen angeordnetes Doping gibt. Die Führung ist geradezu panisch darum bemüht, dass in Peking kein Chinese als Doper auffällt. Das wäre ein unendlich großer Imageschaden, ein Mega-Gau. Das bedeutet allerdings natürlich nicht, dass Doping geächtet wäre. Im Gegenteil, die Bereitschaft, im Sport zu dopen oder im normalen Alltagsleben mit Medikamenten die Leistungsfähigkeit des Körpers zu verbessern, ist in der chinesischen Gesellschaft nach unserem Eindruck stark ausgeprägt.

Wo ist die Bereitschaft besonders groß?

SEPPELT: Im Leistungssport existiert das Problem vor allem in den Provinzen. Der sportliche Konkurrenzkampf dieser Provinzen ist unwahrscheinlich hart. Bei den prestigeträchtigen Nationalspielen kann man mit einem Sieg mitunter mehr verdienen als mit einem Olympiasieg. Das befördert den Willen zum Dopen.

Aber wenn die politische Führungsebene die Provinzen nicht kontrollieren kann, muss man mit einem entlarvten chinesischen Doper rechnen?

SEPPELT: Natürlich. Das ist auch ein Riesenproblem für Peking. Es hat ja in diesem Jahr wieder acht oder neun Dopingfälle von Chinesen gegeben, darunter ein Schwimmer der Nationalmannschaft.

Wie viel Zeit haben Sie aufgewandt, um Informanten in China zu Aussagen zu bewegen?

GOLL: Wie haben Monate gebraucht, um überhaupt erst mal offizielle Statements zu bekommen. Wir konnten auch inoffiziell mit chinesischen Sportlern sprechen, und einer hat zugegeben, dass er über Jahre als Minderjähriger gedopt wurde. Aber der wurde dann von der Polizei verhört, und danach war er so eingeschüchtert, dass ihm der Mut fehlte, vor der Kamera etwas zu sagen.

Welches Interesse haben die Informanten daran, die Dopingpraktiken in China aufzudecken?

SEPPELT: Sie wollen ganz einfach über Missstände informieren. Aber sie stehen unter enormem Druck und unter scharfer Beobachtung, das wissen sie. Einen aussagewilligen Sportler kann man nur unter konspirativen Umständen treffen.

Eine Gewichtheberin sagt locker in die Kamera, dass sie nie eine Dopingkontrolle hatte. Das wirkt keineswegs konspirativ.

SEPPELT: Das haben wir in der Provinz Yunnan in Südchina gedreht, in einer Sportschule. Dort waren Trainer und Athleten tatsächlich lockerer drauf als woanders.

Stand ein chinesischer Aufpasser dabei?

GOLL: Nein, wir hatten nie Aufpasser. Weder sind uns schwarze Karossen gefolgt noch hatten wir das Gefühl, dass wir ständig beobachtet werden. Wir waren in sieben Städten in China, wir haben in insgesamt zehn Ländern recherchiert, da hätte man so etwas gemerkt. Vorsichtig waren wir trotzdem, zumal eines unserer Hotelzimmer von einer unbekannten Person inspiziert wurde.

Was ist mit dem Schutz der Informanten?

GOLL: Damit muss man in China generell vorsichtig sein. Das haben wir gemerkt, als einer unserer chinesischen Mitarbeiter bei der Polizei zu unseren Recherchen befragt wurde.

In Ihren Visaantrag konnten Sie kaum reinschreiben, dass Sie über Doping in China recherchieren. Haben Sie getrickst?

GOLL: Wir haben die Wahrheit gesagt, aber oberflächlich. Wir haben erklärt, dass wir über die Anti-Doping-Politik des Landes berichten wollen. Bei unserer ersten Reise nach China war die Arbeit noch relativ einfach. Wir mussten nur einen oberflächlichen Drehplan angeben.

Hat sich das nach den jüngsten Unruhen in Tibet verändert?

GOLL: Ja, die Chinesen wollten allen Ernstes von uns wissen, wen wir wann zu welchem Thema interviewen wollen. Andernfalls würden wir kein Visum erhalten. Das war ein klarer Bruch der Arbeitsregeln, die seit 2007 in China für internationale Journalisten gelten.

Wie haben Sie reagiert?

SEPPELT: Wir haben wie bei der ersten Reise einen Drehplan abgegeben, aber wir haben darauf bestanden, dass er nicht detaillierter ist als zuvor. Wir konnten ohnehin nur das hineinschreiben, was bis zu diesem Zeitpunkt offiziell vereinbart war.

Was konnten Sie trotz aller Versuche nicht drehen?

GOLL: Wir hätten gerne chinesische Dopingkontrolleure begleitet und das Labor der chinesischen Anti-Doping-Agentur gefilmt. Beides wurde verboten, obwohl es zunächst eine Erlaubnis gegeben hatte. Wir haben oft erfahren müssen, dass chinesische staatliche Stellen Transparenz vorgaukeln, diese großen Ankündigungen aber meist nur leere Versprechungen oder propagandistische Worthülsen sind.

Das Interview führte Frank Bachner.

„Olympia im Reich der Mittel“, ARD, 21 Uhr

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