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Trash-TV: Ein Abend mit dem Dschungelcamp

Zwischen Elend und Selbstironie: Was für unsere Autorin Maris Hubschmid zuerst nach einem Horrorabend klingt, entpuppt sich als selbstironisch und gesellschaftskritisch - zeitweise jedenfalls.

Von Maris Hubschmid

Ich bin dem Dschungelcamp eine Art allein stehende, eigenbrötlerische Tante, die selten vorbeikommt und für Kinder wenig übrig hat. Ich sehe das Dschungelcamp nur, wenn mein Kollege mich darum bittet. Am Sonntag ist das zum dritten Mal in sechs Staffeln der Fall gewesen.

Ich hätte die Einladung gern dankend abgelehnt, aber aus einem Pflichtgefühl heraus habe ich meinen Besuch gemacht. Dass ich für das Dschungelcamp wenig übrig habe, hat nichts mit Dünkel zu tun. Ich sage nicht: Liebes Dschungelcamp, mit dir kann ich mich nicht auf Augenhöhe unterhalten, was soll ich hier, und überhaupt, wasch dir erst einmal deine klebrigen Fingerchen, bevor du mein Kostüm anfasst. Eine Fernsehsendung muss meiner Meinung nach nicht intellektuellen Ansprüchen gerecht werden. Schon in der siebten Staffel bin ich den „Desperate Housewives“ treu, die seit der vierten jedes nennenswerten Handlungsstrangs entbehren. Auch an der Besetzung liegt es nicht, ich verschenke meine Zeit gern hin und wieder an X und Y- Promis. Ich bin ein Fan von RTL Exklusiv.

Beim Dschungelcamp aber kann ich das ständige Insekten-Gezirpe nicht leiden, diese Dschungelgeräusch-Untermalung ist Folter für mich. Ein nervtötendes Geplärre, ewig auf der gleichen Frequenz. Dann will ich das Elend nicht sehen, diese ungeschminkten Leute, die in Dreckwäsche und Essensresten sitzen. So welchen begegnet man in Ost-Berlin genug. Mir hat die Sendung einfach nie soviel geboten, dass sie mich über diese Dinge hinweg getröstet hätte.

Wohl weiß ich, dass Millionen von Menschen das anders sehen, das Dschungelcamp lieben. Darunter sind einige, die ich sehr schätze. Vor meinem Besuch habe ich mich im Bekanntenkreis umgehört und festgestellt, dass die Sendung viel an Sympathie gewonnen hat. Selbst die, die früher den Kopf darüber geschüttelt haben, schwärmen jetzt davon. Bei Staffel eins waren sich noch alle einig, wie pfui das ist, voyeuristisch, vulgär, volksverdummend. Inzwischen ist das Feuilleton ins Dschungelcamp eingezogen, nein, umgekehrt, und jeder verehrt es als ein großes Genie. Vielleicht, weil man aufgrund der enormen Popularität kaum mehr daran vorbeikommt. Da ist es besser, man rechtfertigt die Berichterstattung gegenüber den wenigen verbliebenen Lesern mit intellektuellem Anspruch durch Lob. Die Welt hat sich also entschieden, das Dschungelcamp als ein ausnehmend talentiertes Kind zu feiern. Ich blieb skeptisch. 

Nun, da ich das Camp nach längerer Zeit des Fernbleibens erlebt habe, kann ich nicht anders, als auszurufen: Kind, bist du groß geworden! Mehrmals an diesem Abend kamen von den Moderatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach Bemerkungen, über die ich herzlich lachen musste. „Ailton ist wie ein rumänisches Kaufhaus - keine Artikel“ (über das Deutsch des Ex-Werder-Bremen-Stars). „Es geht um die Überwindung des inneren Schweinehundes und einiger anderer Tiere“ (Ansage vor Beginn der Dschungelprüfung, bei der Ex-Deutschland-sucht-den-Superstar-Teilnehmer Daniel Lopes durch ein Labyrinth voll exotischen Gekreuchs musste. Ich fand das spannend, und er meisterte die Aufgaben bemerkenswert diszipliniert und unaffektiert.)

Und, mein Favorit: nachdem zum ersten Mal ein Krokodil in der Sendung aufgetaucht ist: „An einem echten Reptil mit Lederhaut vorbei, das mussten bisher nur die Kandidaten bei DSDS“.

Die Leute haben Recht. Das Dschungelcamp hat sich entwickelt. Es ist fähig zur Selbstironie. Die Moderatoren gehen offensiv mit der Nicht-Prominenz ihrer Gäste und deren Allüren um. Mitunter üben sie geistreiche Gesellschaftskritik. Das Geschehen im Camp ist natürlich nicht geistreich, da ist noch Luft nach oben. Ein bisschen Küchenphilosophie immerhin war dabei und darf als Denkanstoß genutzt werden: „In jedem Menschen sind Bi-Anteile“ (Ramona Leiß), „Du musst Verstand und Seele zusammenbringen („Dr. Bob“), „Die meisten Männer stehen auf Arsch“ („Jazzy“).

Trotzdem werde ich jetzt nicht häufiger vorbeikommen. Das Unzivilisierte und das Gezirpe stören mich immer noch, und das verwächst sich wohl nicht.

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