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Wackernagel

© ZDF

TV-Filme: Gejagt und geboxt

Schauspielerin Katharina Wackernagel hat kein Talent zum Mädchen. Heute Abend gibt sie gleich in zwei Filmen die einsame Rebellin.

Der heutige Montag gehört Schauspielerin Katharina Wackernagel. In der ZDF-Primetime ist sie als Gejagte im Thriller „Mein Mörder kommt zurück“ zu sehen, als junge Frau, die von ihrem kriminellen Geliebten niedergeschossen wird, überlebt, gegen ihn aussagt und per Zeugenschutzprogramm in eine neue Identität geführt wird. Gegen Mitternacht kehrt sie als „Boxerin“ wieder, als Mädchen aus der Brandenburger Unterschicht, für die Boxen das Einzige ist, „was ich machen kann, ohne dass mir das Kotzen kommt“. In beiden Filmen gibt Wackernagel eine einsame Rebellin, eine Frau unter Druck, die sich ihren Weg freikämpfen muss. Sie überzeugt mit ihrer schlichten Art, ihrer mätzchenfreien Intensität, ihrer Frische, ihrem Trotz; mit ihrer Wandlungsfähigkeit, der die niedliche Räuberbraut ebenso gelingt wie die herbe Sportsfreundin, die bekennt: „Ich habe kein Talent zum Mädchen.“ Als ewige Tochter in der „Bloch“-Reihe war diese starke Darstellerin im Grunde unterfordert – umso zufriedener kann der Zuschauer sein, die mit der Goldenen Kamera, dem Goldenen Löwen und dem Grimme-Preis geehrte Wackernagel zweimal nacheinander in Rollen zu sehen, welche die Bandbreite ihrer künstlerischen Möglichkeiten beanspruchen.

„Mein Mörder kommt zurück“ ist als Thriller angelegt, wobei Elemente des Psychodramas einfließen. Tanja Siebert (Wackernagel) lebt unter ihrem neuen Namen Vera Grote im Dörfchen Naalbach. Niemand weiß von ihrem Berliner Vorleben, von den Schüssen, die ihr Ex-Lover, der Gangster Marco, auf sie abfeuerte und die sie nicht töteten, vom Prozess und dem Neuanfang – nicht einmal der Mann, den sie geheiratet hat. Nur ein von der Polizei eingeweihter Psychotherapeut und das Landeskriminalamt wissen Bescheid. Dann kommt Marco aus dem Knast. Vera registriert Anzeichen: dass er sie sucht. Mit einem Mal ist Veras Umfeld verdächtig, einschließlich Mischa, ihrem Mann. Die Atmosphäre der Gefahr und der Panik, die auf die Reihenhäuschen drückt, die plötzlich verschlossenen Mienen der Nachbarn, Veras Albträume, die Marcos Wiederkehr vorwegnehmen, all das erzählt vom Horror des Gejagtwerdens, vom Grauen der Ausweglosigkeit. Andreas Senn (Regie) und Norbert Eberlein (Buch) haben wohl freiwillig den Weg heraus aus dem Drama und hinein in eine schmunzelnde „Is-doch- bloß-Kintopp“-Wende genommen. Man mag darin einen Bruch erkennen oder eine glückliche Fügung – realistisch ist das Ende von „Mein Mörder kommt zurück“ jedenfalls nicht. Aber es versöhnt mit der bösen Welt. Zumal ja heute Abend noch der zweite Wackernagel-Film ansteht, in dem die Welt ziemlich rau und unfreundlich erscheint.

Das „Kleine Fernsehspiel“ bietet eine Reihe um „Wilde Mädchen“ auf, die mit der „Boxerin“ von Catharina Deus (Regie) beginnt. Johanna, genannt Joe (Wackernagel), kann ihre Aggression nicht zügeln. Sie kippt ihrem Chef den Schreibtisch gegen den Torso. Die Frau im Arbeitsamt sagt: „Sie müssen gelassener werden.“ Joe zieht es zum Boxsport. Schon um ihrer Mutter, einer Verliererin, die nichts geregelt kriegt (toll: Manon Straché), eins auszuwischen, trainiert Johanna heimlich mit Igor vom örtlichen Club. Der sagt erst Nein, lässt sich durch Joes Beharrlichkeit überzeugen. Die übrigen Mannsbilder ertragen die Gegenwart eines weiblichen Wesens mit Boxhandschuhen nicht. Sie schüchtern das Mädchen ein. „Von wegen nette Jungs“, stöhnt Joe, steckt aber nicht auf.

Es gibt Parallelen zu „Million Dollar Baby“ von Clint Eastwood; beide Filme wurden unabhängig voneinander zur selben Zeit gedreht. Dies zeige, freut sich Autorin Martina Klein, wie akut das Thema Frauenboxen sei. Doch dann ist Johanna drauf und dran, den Traum von diesem ganz besonderen Ring für einen Kerl, den Autobastler Mario (ausgezeichnet auch hier wieder: Devid Striesow), aufzugeben. Aber der andere Mann in ihrem Leben, Trainer Igor (ebenfalls super: Martin Brambach), bringt sie zur Vernunft und nach Berlin zu ihrem ersten Kampf. Auch bei diesem Film gibt es einen glücklichen Ausgang: Johanna hat erfahren, dass sie siegen kann. Ein großer Moment, als dieses Glück sich in dem verletzten, verquollenen, durch den Mundschutz entstellten Gesicht der Katharina Wackernagel spiegelt. Sie triumphiert und weiß dabei nicht recht, wie ihr geschieht. So ist das mit dem Glück: Wenn es kommt, so ganz wider Erwarten und voll Glanz, kann man es nicht fassen.

„Mein Mörder kommt zurück“, ZDF, 20 Uhr 15; „Die Boxerin“, 23 Uhr 50

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