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TV-Krimi: Der türkische Schimanski

Saufen, fluchen, prügeln: Eine erstaunliche Krimiserie aus Ankara ruft Kritik der Regierung hervor. Das berührt auch den Streit um die Theaterprivatisierung in der Türkei.

Jeden Sonntagabend tritt der türkische Fernsehkommissar Behzat C. an, um einen neuen Fall zu lösen. Die Fernsehserie „Behzat C. – Kriminalgeschichten aus Ankara“ ist ein Quotenhit, nicht zuletzt, weil Behzat C. so etwas ist wie der türkische Schimanski: Er säuft, flucht und prügelt. Doch dieser Kommissar hat nicht nur Freunde. Einige in der religiös-konservativen Regierung von Premier Erdogan kritisieren den TV-Polizisten. Behzat C. rückt damit ins Zentrum eines Kulturkampfes zwischen Religiösen und Säkularisten, der auch die Theaterszene der Türkei erfasst hat.

Für türkische Verhältnisse ist dieser Behzat C., verkörpert von dem Schauspieler Erdal Besikcioglu, ein sehr ungewöhnlicher Fernsehkommissar. Er ist immer ungekämmt und meistens unrasiert, er trinkt Alkohol, er flucht wie ein Müllkutscher – und er lässt sich im Laufe der Serie sogar mit einer schönen Staatsanwältin ein, der er vor laufender Kamera den Bademantel vom Körper streift.

Wie sein legendärer „Tatort“-Kollege Schimanski setzt sich Behzat C. über landläufige Vorstellungen von einem ordentlichen Polizisten hinweg. Das macht die Sendung des türkischen Privatsenders Star TV so erfolgreich – aber auch bei den Behörden äußerst unbeliebt. Die türkische Fernsehaufsicht verwarnte Star TV bereits zwei Mal, und auch der für die Medien zuständige Vizepremier Bülent Arinc äußerte sich sehr negativ über die Serie. Ein regierungsnaher Verband erklärte, Alkohol und lose Sitten hätten bei einem türkischen Polizisten doch nichts zu suchen.

Einige Kommentatoren erkannten darin eine verdeckte Drohung der religiös-konservativen Regierung, die Krimiserie zu verbieten. Möglicherweise wirkt der Druck. Nachdem ein nationalistischer Politiker das außereheliche Verhältnis des Kommissars als Verstoß gegen die „muslimisch-türkische Familienstruktur“ gegeißelt hatte, heiratete Behzat C. in einer der letzten Episoden seine Staatsanwältin. Demnächst werde die Türkei erleben, dass Theaterstücke und Fernsehserien gleich ganz verboten würden, erklärte die Oppositionspolitikerin Emine Ülker Tarhan. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wünsche sich Künstler als „Hofnarren“.

Gegner wie Tarhan werfen der Regierung Erdogan vor, sie mache Druck auf alle Lebensstile, die nicht zu ihren eigenen frommen Vorstellungen passten. Im vergangenen Jahr ließ die osttürkische Stadt Kars eine moderne Statue abreißen, nachdem Erdogan diese als „monströs“ bezeichnet hatte.

Jetzt gibt es Streit um die Theater der Türkei. Anlass sind Pläne Erdogans, staatliche Theater zu privatisieren und Subventionen zu streichen. Erdogan ärgert sich darüber, dass die Theatermacher einen Reformplan ablehnen, nach dem künftig Beamte bei der Gestaltung des Spielplans mitreden sollen. Nach einer Privatisierung könnten die Theater spielen, was sie wollten, sagte der Ministerpräsident. Dabei weiß er, dass die meisten Theater ohne staatliche Unterstützung nicht überleben können. Bei einer Demonstration in Istanbul warfen Schauspieler und Autoren der Regierung vor, die Freiheit der Kunst zu attackieren.

Ulrike Dufner, die Türkeirepräsentantin der Heinrich-Böll-Stiftung, sieht den Streit als Teil einer Generalabrechnung der Konservativen unter Erdogan mit den Intellektuellen. Das konservative Lager habe es den Intellektuellen nicht verziehen, dass sie 1997 bei der Absetzung der damaligen islamistischen Regierung durch die Militärs geschwiegen hätten, sagte Dufner dem Tagesspiegel.

Gleichzeitig wolle Erdogan die „konservative Wende“ in der Kulturpolitik. „Das ist ein gezielter Schlag, um bestimmte politische und kulturelle Vorstellungen an den Rand zu drängen“, sagte sie.

Erdogan sieht das ganz anders. Das Problem sei, dass die Intellektuellen auf das einfache Volk herabblickten, sagte er kürzlich. Seine Kritiker aus der Theaterszene fühlten sich als Elite, die an ihren Pfründen festhalten wolle. „Die streichen Geld vom Staat ein und stehen vor den Bars mit Whisky und Bier herum und tun nichts, außer andere zu beleidigen.“

Apropos Whisky und Bier: Auch der Fernsehkommissar Behzat C. ist gegen die Privatisierung der Theater. Schauspieler Besikcioglu erklärte, der Staat solle die Theater weiter subventionieren, denn private Theater seien für den Durchschnittstürken viel zu teuer. Ob der türkische Schimanski bei Erdogan damit Gehör findet, ist aber nicht sicher.

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