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ARG-Talk-Gastgeberin Anne Will

© dpa/Karlheinz Schindler

TV-Kritik "Anne Will" über Flüchtlinge: Einfach mal ungehemmt pauschalisieren

Am Anfang stand bei Anne Will die Hoffnung auf eine sachliche Debatte über die Frage, ob die Stimmung gegen Flüchtlinge kippt. Aber dann wurde es reichlich undifferenziert.

„Ich habe gar nichts gegen Ausländer, aber …“ Vielleicht schreibt irgendwann wer eine Doktorarbeit in Linguistik darüber, wann und warum diese Phrase durch die abgelöst wurde, man dürfe auf keinen Fall pauschalisieren – aber dann ungehemmt genau das zu tun.

Um Anne Wills Beistelltischchen herum ließ sich dieses rhetorische Update am Sonntagabend aufs Schönste studieren. Da säte zwar Jens Spahn, Mitglied im CDU-Präsidium, anfangs Hoffnung auf eine sachdienliche Debatte. Er nannte das – eben pauschale - Badeverbot in mehreren städtischen  Bädern ein Zeichen von Hilflosigkeit und wies darauf hin, dass junge Männer, die nichts zu tun hätten, einfach schwierig seien, „egal ob deutsch oder arabisch“. Nur um wenig später auf die „ganz unterschiedliche Kultur“ arabischer Männer zu verweisen, denen Familienehre viel und Frauenrechte wenig bedeuteten.

Freiburgs grüner Oberbürgermeister Dieter Salomon wiederum mahnte die Gastgeberin väterlich, der Abend mache „nur Sinn, wenn wir sehr differenziert sind“. Und hatte dann selbst seine liebe Mühe damit, als die ihn fragte, warum er die sexuelle Belästigung in einem linken Club seiner Stadt so rasch einer ethnischen Gruppe zugeschrieben habe. 

„Misstrauen, Ängste, Verbote – Kippt die Stimmung gegen Flüchtlinge?“ Eine Antwort auf die Frage gab es auf diesem Treffen bei Anne Will nur ansatzweise. Aber es ließ sich recht gut beobachten, was es braucht, um die Stimmung zum Kippen zu bringen. Man muss den Fokus nur oft genug richtig – falsch - einstellen, wie die Netzaktivistin und Feministin Anke Domscheit-Berg am Beispiel erläuterte. Eine einzige sexuelle Belästigung durch einen Migranten könne in einer mittleren Stadt schon die Gründung einer Bürgerwehr veranlassen. Die vielen Taten von Alteingesessenen bleiben im Unschärfebereich.

Der Unterschied Ausländer/Inländer hat m.E nur in der Strafverfolgung Sinn; für die Analyse taugt er gar nichts, da der Begriff Ausländer nur negativ definiert ist, als Abwesenheit des Merkmals, Deutscher zu sein.

schreibt NutzerIn BeH

Ob Jens Spahn ahnte, welch starke Vorlage er ihr geliefert hatte, als er Vergleiche zwischen der sexuellen Gewalt auf dem Oktoberfest und der an Silvester in Köln als „unerträgliche Relativierung von Köln“ und als „absurd“ bezeichnete? Der Unterschied, so Spahn, liege eben in der – da war sie wieder! - „Kultur“ der Grabscher und Vergewaltiger von Köln.

Die Frage nach der Kultur der Münchner Täter unterblieb, aber Mehmet Daimagüler, Nebenklage-Anwalt im NSU-Prozess, verwies auf die Willkür des Kultur-Arguments: Die höhere Kriminalitätsrate von Maghrebinern in Deutschland sei doch wohl plausibler damit zu erklären, dass sie hier, anders als die meisten Syrer, chancenlos auf der Straße landeten. Im NSU-Prozess in München sitze er mehreren Angeklagten mit thüringischem Hintergrund gegenüber, „und ich pauschalisiere nicht“. Merke: Das ebenso oft verdammte wie gern praktizierte Pauschalisieren funktioniert halt nur mit Vorurteilen, die schon gesellschaftsfähig sind.

Am Grünen Salomon ließ sich studieren, dass die Partei, in der Gleichheit und Vielfalt einmal größer als anderswo geschrieben wurden, da keine Ausnahme mehr sein dürfte. Freiburgs OB, einst erster Grüner an der Spitze einer Großstadt, schwankte sichtlich zwischen der Versuchung, den harten Hund zu geben - als dessen grüne Variante war er schließlich eingeladen - und dem Bild von Öko und Offenheit, das seine idyllische Schwarzwälder Universitätsstadt gern von sich verbreitet. Dazu passte das Hausverbot für Flüchtlinge im linksautonomen Club „White Rabbit“ schlecht, also stritt Salomon kurzerhand ab, dass es das gegeben hatte. Will las ihm dann den Beschluss vor.

Für seine „harte Linie“ gegen kriminelle Ausländer habe er nicht einmal die üblichen Hassmails bekommen, sagte Salomon. Darum beneide sie ihn, konterte Anke Domscheit-Berg. Ihre Hasspost komme gerade von weißen Männern, „die mir die widerlichsten Dinge androhen“. Im Namen der Frauenrechte habe man sie schon  „einer Horde Araber zur Vergewaltigung vorwerfen“ wollen. Integrationskurse seien wohl „nötig für uns alle“.

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