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Die Talk-Gastgeberin und Journalistin Anne Will

© dpa/Karlheinz Schindler

TV-Kritik "Anne Will" zur Bargeldobergrenze: Die Sinnlichkeit des Geldes

Eine 5000-Euro-Obergrenze für Barzahlungen - der Plan des Finanzministers wurde bei Anne Will leidenschaftlich diskutiert. Und gelacht wurde auch mal.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will in Deutschland „präventiv für Sicherheit“ sorgen, indem er Bargeldzahlungen auf eine Höhe von 5000 Euro limitiert. Geldwäsche, Zigarettenschmuggel, internationaler Terrorismus – all das könnte unterbunden werden, wenn die Deutschen gewisse Summen nicht mehr in Scheinen, sondern nur noch elektronisch bezahlen würden. Angeblich.

Die Redaktion von Anne Will witterte da ein anderes Vorhaben und stellte die Frage: Nimmt uns der Staat das Bargeld weg?

Noch nicht. Und nicht ganz. Bei Schäubles Vorhaben handelt es sich derzeit noch um Pläne, deren Umsetzung aktuell nicht in Sichtweite ist. Sein parlamentarischer Staatssekretär Michael Meister erklärte der Talkrunde, Deutschland wolle vielmehr in Verhandlungen mit anderen EU-Staaten treten, um sich auf eine gemeinsame Obergrenze für Barzahlungen zu einigen. Das dürfte sich schwierig gestalten: Die Regeln sind bisher völlig unterschiedlich, von „Cash not welcome“ bis hin zu unlimitierten Bargeld-Transfers ist in der EU nahezu alles vertreten.

Dostojewskis Weisheit

Christian Lindner, Vorsitzender der FDP, ist mit der geplanten Bargeldbremse gar nicht glücklich und berief sich auf Dostojewski, dessen alter Weisheit zufolge „Geld geprägte Freiheit“ ist. Eine Aussage, die Peter Fissenewert auf den Plan rief: Der Professor für Wirtschaftsrecht, der sich bei Transperancy International engagiert, fühlt sich vor allem von Terroristen bedroht und würde seine Bar-Freiheit allein aus diesem Grund gerne einschränken – oder einschränken lassen. Nun ja, datenschutztechnisch müsste wohl einiges gesichert werden, sollte der Zahlungsverkehr nur noch digital funktionieren – dieser Gedanke kam Fissenewert dann immerhin doch. In Zeiten von NSA und Co. ja auch keine ganz unwichtige Überlegung.

Dass der Terrorismus, vor dem sich Fissenewert fürchtet, mit Zahlungen à 5000 Euro finanziert wird, glaubt Ex-Finanzminister Theo Waigel (CSU) eher weniger. Er vermutet da andere Summen, 100.000 Euro aufwärts hält er für eher wahrscheinlich und für eine kritische Grenze. In Deutschland gibt es allerdings bereits die Pflicht, seinen Geschäftspartner zu überprüfen, sollte dieser mit 15.000 Euro oder mehr in bar bezahlen. Lindner folgerte daher, es gäbe genügend Gesetze, Geldwäsche und illegale Geschäfte zu unterbinden – sie würden nur nicht richtig umgesetzt. An Meister gewandt bedeutete das: „Wenn Sie bereits jetzt die Nadel im Heuhaufen nicht finden, macht es keinen Sinn, mehr Heu zu verlangen!“

Ist jeder Deutsche, der mit mehr als 5000 Euro bar bezahlt, sofort verdächtig? Kritiker ziehen diesen Schluss aus der geplanten Bargeldgrenze und finden, dass damit quasi schon jeder Autokäufer ins Visier des Staatschutzes gerät. Nancy Schneider, selbst Inhaberin eines Autohauses, behauptete in der Talkrunde, beim Gebraucht- und Neuwagenhandel noch nie mit zwielichtigen Gestalten in Berührung gekommen zu sein. Die Kontrollen, die es bereits gebe, würden Geldwäsche im Autohaus fast unmöglich machen. Gläserne Kunden wären nicht in ihrem Interesse. Auf die Beteuerung Meisters, dass sie davor keine Angst haben müsse, da sie ja in einem Rechtsstaat lebe, folgte die vielleicht schönste Szene des Talk-Abends: Schneider lachte, etwas verdruckst – aber sie lachte. Das Studiopublikum auch.

Beispiel Schweden

Einmal abgesehen von den kriminalistischen Argumenten wurden auch richtiggehend leidenschaftliche Standpunkte ausgetauscht: Bargeld sei sinnlich, haptisch erfahrbar, hieß es da; niemand müsse sich rechtfertigen, wenn er bar bezahlen wolle; die Deutschen horten ihr Bargeld eben auch gern mal zu Hause im Sparstrumpf. Ob das Sinn macht, ist die eine Frage; Tatsache ist, dass es keineswegs strafbar ist. Meister konterte, der Deutsche trage im Schnitt nur 103 Euro für den täglichen Gebrauch in bar mit sich herum – eine Obergrenze von 5000 Euro sei daher ohnehin sehr hoch angesetzt.

Was er dabei übersah, und seine Mitdiskutanten ihm vorhielten, ist die Tatsache, dass zwar kaum jemand täglich für mehr als 5000 Euro einkauft. Aber dass es prinzipiell möglich sein sollte, ohne sich eines Verbrechens verdächtig zu machen. Dann kam das Beispiel Schweden. In Schweden klappt es ja auch – die meisten Bürger dort bezahlen via Kreditkarte. Oder sogar mit einem digitalen Pay-System über das Smartphone. Was in Schweden übrigens auch geht, von der Runde aber nicht erwähnt wurde: Dort lässt sich sogar die gesamte Steuererklärung mittels Handy-Botschaft an die zuständigen Behörden übermitteln. Digitaler Fortschritt, der in Deutschland vermutlich besser ankäme als Schein- und Münz-Limits.

Ein ganz anderes Beispiel für die Bargeld-Grenze, über das bei Anne Will unverständlicherweise kaum gesprochen wurde, ist Italien. Dort gibt es eine Grenze über 1000 Euro, die nun nach massiven Protesten wieder auf 3000 Euro erhöht werden soll. Einmal davon abgesehen, dass in Italien Geldwäsche und organisiertes Verbrechen nicht gerade ausgerottet sind, hat Rom diagnostiziert, dass sich das 1000-Euro-Limit als spürbare „Hemmschwelle für den Konsum“ erwiesen habe. Im Oktober 2015 befand Ministerpräsident Matteo Renzi: „Schluss mit dem Terror. Wer bar zahlen will, soll das auch tun.“

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