zum Hauptinhalt
Journalistin und ARD-Talkgastgeberin Anne Will

© dpa/Karlheinz Schindler

TV-Kritik "Anne Will" zur Krise der Volksparteien: Die erschreckende Ratlosigkeit der Altgedienten

Volksparteien wie CDU und SPD verlieren Wähler an Rechtspopulisten. Bei Anne Will sehen Vertreter der Altgedienten das nicht so dramatisch - und offenbaren ihre Hilflosigkeit.

Wenn Österreich wählt und FPÖ-Mann Norbert Hofer realistische Chancen auf das Amt des Bundespräsidenten hat, ist es Zeit für eine ernste Unterhaltung bei Anne Will. "Die Krise der Volksparteien - wo führt das hin?" war Talk-Thema am Sonntagabend, wenige Stunden nachdem bekannt geworden war, dass der als Rechtspopulist verrufene Hofer im Nachbarland an die 50 Prozent der Wählerstimmen geholt hat. Wird es in Deutschland bald ein vergleichbares Szenario geben? Und warum schwächeln die altbekannten Volksparteien überhaupt?

Eingeladen war unter anderem Dirk Schümer, Europa-Korrespondent der "Welt". Er kann sich durchaus vorstellen, dass in Deutschland Volksparteien wie CDU und SPD künftig noch mehr Wähler an den äußeren rechten Rand verlieren. Es sei fast schon ein "Gang zur Normalität", dass sich die Bürger politisch umorientieren, wenn die altbekannten Parteien "alle in der Mitte sein wollen" - dann wird es genau dort nämlich eng und ziemlich einheitlich. Gerade die SPD könnte es in Zukunft besonders schwer haben: Schümer zog Frankreich zurate, wo die Arbeiterschicht mittlerweile fast ausschließlich den rechten Front National wählt. Auch FPÖ-Mann Hofer habe vor allem in den ärmeren Vierteln Wiens Wähler gewonnen.

Nicht ganz so dramatisch sieht es Mit-Talker Hans-Peter Friedrich, stellvertretender Vorsitzender der CSU/CDU im Bundestag. Ein "gewisser Erosionsprozess" bei Volksparteien sei normal; zudem seien Österreich und Deutschland politisch nicht miteinander vergleichbar. Für Friedrich gehört es zur Logik der EU, dass es innerhalb des Bündnisses eben auch manchmal Wahlergebnisse gebe, "die uns nicht schmecken".

Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte gab Friedrich in Puncto Vergleichbarkeit der beiden Länder recht: Österreich sei mit seiner über Jahrzehnte etablierten großen Koalition ein "Sonderformat des Regierens". Andererseits seien die deutschen Volksparteien eigentlich gar keine Parteien für das Volk mehr - sondern nur noch "professionell organisierte Wähler-Organisationen". Ob das aber über kurz oder lang zu einem Rechtsruck in Deutschland führen kann, konnte Korte nicht beantworten. Dass sich die Bürger aber immer schneller für Alternativen erwärmen können, ist für ihn Fakt: "Wählerische Wähler sind wie Nomaden, immer unterwegs" - von einer Partei, die Alternativen verspricht, zur nächsten. Und das sind nicht unbedingt die Volksparteien.

Nicht auf den Zug aufspringen

Schnelle Schwankungen in der Wähler-Gunst beobachtet auch Armin Laschet, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Dass rechte Parteien aktuell mit dem großen Thema Flüchtlingskrise auf Stimmenjagd gehen, überrascht ihn nicht. "Neue Themen für Populisten wird es immer geben", glaubt er - sei es künftig das Thema Islam oder die noch immer nicht ganz ausgestandene Euro-Krise. Volksparteien wie CDU und SPD dürften deshalb aber nicht den Fehler machen, sich deren Vokabular zu eigen zu machen oder gar versuchen, auf den Zug aufzuspringen. Die österreichische Regierung hatte genau das versucht - mit dem Ergebnis, dass SPÖ-Kanzler Werner Faymann zurücktrat. Und die österreichischen Volksparteien ÖVP und SPÖ schon in der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl aus dem Rennen waren.

Malu Dreyer, SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, nutzte die Gelegenheit für ein Loblied auf die SPD. Obwohl sich auch in ihrem Land die Wähler umorientieren und unter anderem die Alternative für Deutschland ins Parlament brachten, will Dreyer vermitteln, dass die SPD "keine Klientelpartei" sei.

Zu Schümers Einwand, der SPD könnten auch in Deutschland irgendwann die Arbeiter als Wählerschicht fehlen, meinte sie: "Nicht nur Arbeiter wählen die SPD". Und auch Hans-Peter Friedrich hat noch Hoffnung für die altgediegenen Haudegen der Bundesrepublik: "Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch eineinhalb Jahre".

Zur Startseite