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Ferres

© Promo

TV-Kritik: Desperate Housewife

Veronica Ferres muss als "Die Patin" ihre Familie vor der globalisierten Kriminalität retten.

So ein Kracher aber auch: „Die Patin – Kein Weg zurück“ ist eine Hommage an den Deutschen Hausfrauen-Bund und seine Millionen Mitglieder. Katharina Almeda ist eine bekennende Hausfrau, seit 13 Jahren ist sie glücklich verheiratet; die Mutter von zwei Kindern führt ein behütetes Leben in einem schönen Haus in Bad Homburg, ist Elternbeirätin, die Sorgen und Probleme kommen aus dem Alltag.

Es gibt drei Fragen an einen solchen Dreiteiler: Ist er spannend? Taugt die Geschichte etwas? Sind die Figuren belastbarer als Pappmaché? Das Drehbuchteam um „Headwriter“ Christoph Darnstädt wirft dem Publikum ein Tausend Teile-Puzzle hin. Wie Catherine Zeta-Jones in „Traffic“, wie einer jener klassischen Hitchcock-Helden gerät eine „ganz normale Frau“ in eine ganz fremde Hemisphäre. Russen-Mafia, versaute Politiker, BND, BKA, internationale Drogen- und Waffengeschäfte – das ganz große Panorama wird aufgezogen, entsprechend reiht der erkennbar aufwendig produzierte Film illustre Schauplätze zu einer Glitzerkette wie sonst nur ein Bond-Film.

Der Clou bei der „Patin“, der sonst einem bewährten Triller-Schnittmuster folgt, ist ja, dass die spätere Heldin in die bis dahin vollkommen unbekannte Schattenwelt des eigenen Mannes übertritt. Zeitreise, Abenteuerfahrt, hohe Emotion natürlich, als das Paralleluniversum, eine zweite Frau Almeda, das undurchsichtige Business zu Tage treten. Der eigene Mann ein Lügner, Ehebrecher, Verbrecher im internationalen Maßstab? Das ist doch mal eine Herausforderung für die Hausfrau, die nur eines will – die Familie schützen.

Schon die Einstiegssequenz macht es allen klar: ein Veronica-Ferres-Film. Sie ist ein solcher Star des deutschen Fernsehens, wie es nur noch Christine Neubauer oder Iris Berben oder Maria Furtwängler sind. Ganz groß, sehr beliebt und sehr unbeliebt. Die Mehrheit schaltet wegen der Ferres ein, eine deutliche Minderheit schaltet wegen der Ferres ab. Außerhalb des Bildschirms inszeniert sie sich bevorzugt als Gutmensch. Hier schlägt ein übergroßes deutsches Herz.

Vergessen wir die öffentliche Veronica „Superfrau“ Ferres, sehen wir auf die Schauspielerin, auf ihre Katharina Almeda. Regisseur Miguel Alexandre und noch deutlicher die Kamera von Jo Heim rücken die Ferres ins Hirn der Zuschauer. Wie fühlt sie sich, wie ohnmächtig, wie spielt sie sich in die Kämpferin hinein, die handelt statt verhandelt zu werden? Der Zuschauer hat nur wenig mehr Überblick, wie die Puzzleteile zusammengehören. Almedas Höhen und Tiefen sind seine Höhen und Tiefen. „Die Patin“, das sind 270 Minuten Fernsehen, gefühlte 250 Minuten davon sind mit Ferres-Szenen gefüllt. Liebe F.-Verzweifler: Die Ferres schafft das, sie schultert das schwer beladene Stück, in den nach innen gerichteten Momenten, zugleich auch in den Tempo getriebenen Großsequenzen.

Nur wenige Male macht Mama Katharina kichern, wenn sie etwa wie eine wildgewordene Bundesfamilienministerin die Maschinenpistole sprechen lässt, als die Kerle nicht spuren, wie Mama es will. Die Ferres spielt explizit, ihre Figur hat kein Geheimnis, sie muss ein Geheimnis entdecken.

Die teamworx-Produktion versammelt um die Heldin herum ein exquisites Ensemble. Fritz Karl interessiert als ein auf verdächtig vielen Seiten stehender Joseph, Axel Prahl lässt seinen BKA-Kommissar zwischen Kraftmeier und Schlaufuchs pendeln. Der Vater der Katharina Almeda wird von Michael Degen gespielt, ein Mann, der nach dem Tod seiner Frau depressiv und desorientiert durch die Welt wandelt. Ein bisschen sehr trottelig, aber herzrührend. Mikael Persbrandt ist bestimmt der beste schwedische Schauspieler, der jemals einen mafiösen Russen gespielt hat. Der BND-Mann des Andreas Pietschmann ist mit aller Konsequenz ein Kotzbrocken. Delphine Chanéac (Marie Almeda) hat als schwarzhaariges Katharina-Gegenstück das Zeug für jede Bond-Böse.

Ein Schwachpunkt ist Jeroen Willems als Max Almeda. Raucht viel, spielt wenig, ist nur eine Behauptung für die Zweitexistenz seiner Figur jenseits der Idylle in Bad Homburg. Willems wirkt, als agiere er von außen in die internationale Koproduktion hinein.

Die schon ein cleverer, griffiger Film ist. Immer wieder schlägt die Dramaturgie einen Haken, der Zuschauer wird überrascht und staunt über die neue Situation, permanent muss er sein Wissen aktualisieren und kann doch nie ganz sicher sein, dass der Zwischenstand stimmt. Der Film und die Figuren werden um so interessanter, je uneindeutiger sie sind. Erst im Zwielicht lösen sich die Härte des Schwarz-Weißen und die Eindeutigkeit der Gewissheit auf.

„Die Patin“ lässt sich auf eine Parallelität ein: Hier dominiert der Spannungsfilm (mit flauen Momenten in Teil 2), dort die Wandlung, die Entpuppung der Katharina Almeda. Regisseur Alexandre liebt das Close-Up auf das Gesicht der Veronica Ferres, die durch die handelsüblichen Schwache-Frau-wird-starke- Frau Metamorphosen glatt hindurchspielt. Und ganz am Ende, im Schlussbild, erfüllt sich auch der Titel: „Die Patin“.

PS: Unterschätze nie wieder eine Hausfrau aus Bad Homburg.

„Die Patin – Kein Weg zurück“, heute, am Montag und am Mittwoch um 20 Uhr 15 bei RTL 

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