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Neuzugang. Frank-Markus Barwasser (rechts) ist neuer Partner von Urban Priol in der erfolgreichen Kabarettsendung „Neues aus der Anstalt“ (ZDF, 22 Uhr 15). Er löst damit Georg Schramm ab. Barwasser, bekannt aus dem ARD-Format „Pelzig unterhält sich“, soll im ZDF ab Februar 2011 auch eine satirische Talksendung bekommen. Foto: ZDF

© Tobias Hase

TV-Kritik: Die Qualität zum Quälen

Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig hatte am Dienstag seine Premiere als Protagonist in der führenden Kabarettanstalt des Fernsehlandes. Der Nachfolger von Georg Schramm in "Neues aus der Anstalt" hat thematisch alles im Griff - was noch fehlt, ist das Quälpotenzial.

Mittendrin und doch nur dabei, so wirkt der Erwin Pelzig, der Neue in der ZDF-Kabarettanstalt. Pelzig soll Lothar Dombrowski und Oberstleutnant Sanftleben nachfolgen, eigentlich soll er sie vergessen machen. Denn die beiden, das waren die bärbeißigen Alter Egos von Georg Schramm. Einer, der nicht Kabarett macht, der Kabarett arbeitet, ins Publikum hinein donnert, der mit seinen Wutattacken auf Überwältigung setzt. Das ist die Tour von Pelzig, also von Frank-Markus Barwasser nicht. Er ist hinterfotziger, er lässt den Witz blinzeln, er sät nicht den Wortsturm eines Schramm, er erntet seine Pointen auf leisere, leichtgängigere Art und Weise. Die aktuellen Themen zwischen schwarz-gelber Null-Regierung, der Integration der schwäbischen Hausfrau im Stuttgart-21-Protestrausch, das hat er alles drauf, das hat er im Griff. Den Unterschied zwischen einer Demokratie (in Deutschland) und einer Diktatur (in China) erklärt so, dass "ich in einer Demokratie auswählen kann, wer mich unterdrückt." Pelzig/Barwasser ist kein reiner Wortakrobat, er scheut Hilfsmittel wie Fotos betender Moslems im Kölner Dom vor langer, langer Zeit nicht, er bringt nochmals den ZDF-Radikalkonservativen Gerhard Löwenthal vor Augen.

Das macht mal mehr, mal weniger Sinn, das macht schon lachen - und kann das Grundproblem nicht verdecken: Wer ist der Erwin Pelzig? Ein Typ mit fränkischer Tracht unterm Cordhut, okay, aber was, wer, warum steckt in dieser Type? Schramm konnte mit seinem Rentner und seinem Obristen sofort, augen- und ohrenfällig Position beziehen - das kann Barwasser mit Pelzig nicht.

Anstaltsleiter Urban Priol hat das offenbar erkannt. Er fegt dem neuen Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit und interne Kommunikation den Cordhut vom Kopf. Eine Geste, mehr als das. Erwin Pelzig ist in die führende Kabarettanstalt des Fernsehlandes gekommen, das muss er kapieren, er wird in dieser fränkischen Cordhut-Erscheinung immer ein Fragezeichen für den Zuschauer verkörpern. Barwasser muss entweder den Pelzig überwinden oder besser in die Sendung integrieren. Die Qualitäten dazu hat er, das ist gar keine Frage.

Er sollte sich mal den Urban Priol genau anschauen. Der rast wie ein Hamster im Kabarettrad durch die fast 60 Minuten, es scheint, als hätte Priol nach Schramms Abschied mehr Luft zum Atmen. Priol ist der Chef, er ist böser, direkter, er will weh tun, weil ihm die Zustände weh tun. Er ist politisch verstört.

Bitte die Kritik an Pelzig-Barwasser nicht missverstehen. "Neues aus der Anstalt" ist auch in der neuen Formation die beste Narretei im deutschen Fernsehen. Der Live-Mix aus Spielszenen, Duett-Duellen und Soli verlangt den Protagonisten alles ab. Wer da auftritt, dem muss klar sein, dass der Vorgänger beim Publikum gerade abgeräumt hat. Das gilt für Priol, das gilt für Andreas Rebers, der als Anstalts-Geistlicher einen fast schon unheimlichen Alles-Integrierer gibt. Da fällt auf, was abfällt: Helmut Schleich mit einer abgestandenen Bayern-Preußen-Nummer, Jürgen Becker, der katholisch auf muslimisch reimen will. Menschlich anständig, im Geschmack schal.

Da liegt der Erwin Pelzig des Frank-Markus Barwasser um Längen vorne. Aber leichte Siege, das können seine Sache nicht sein. Wie hat Schramm gesagt? "Ich habe Herrn Pelzig als einen Mann mit beträchtlichem Quälpotenzial kennen und schätzen gelernt." Also.

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