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Jörg Pilawa stellt seine Quizfragen nun im ZDF.

© dpa

TV-Kritik: Reiche Kandidaten, armer Jörg Pilawa

Gewinnen mit Nichtwissen: Bei der neuen ZDF-Quizshow "Rette die Million!" handelt es sich weder um ein Quiz noch um eine Show. Der nette Jörg Pilawa schien bei der Premiere der Einzige zu sein, der wusste, was er tat. Man musste fast Mitleid mit ihm haben.

Es gab mal eine Zeit, da war das Fernsehen in der Lage große Momente zu kreieren und Erinnerungen zu schaffen – und dann gibt es noch das Heute. Heute bekommt die deutsche Fußballnationalmannschaft einen Ehrenpreis – vergeben von ARD, ZDF, RTL und Sat 1, weil sie im Sommer ein paar große Momente geschaffen habe, die sich tatsächlich auch viele Menschen im Fernsehen angeschaut hätten. Kein Moderator, keine Show schafft das im Moment – der Preis ist ein Armutszeugnis, dass sich die Sender selbst ausgestellt haben. Die Sender verpflichten gerade lieber Moderatoren, bei denen die Menschen, wenn schon nicht einschalten, wenigstens nicht abschalten. Das ZDF holte Jörg Pilawa von der ARD. Dort moderierte er neun Jahre lang allerhand, jetzt moderiert er in jedem Fall noch dreimal in diesem Jahr „Rette die Million!“, vielleicht noch eine Spendengala oder was anderes Mittelgroßes am Samstagabend. „Wetten, dass...?“ wolle er nicht, er sieht bei dieser Sendung „keinen Handlungsbedarf“, und das sagt vielleicht viel aus über Pilawas Einschätzung des Fernsehens, mit Sicherheit aber etwas darüber, dass er tatsächlich so nett ist, wie alle immer sagen. Aber selbst der nette Pilawa sollte jetzt mal laut werden, wenn er sich seine eigene neue ZDF-Show vom Mittwochabend einmal anschaut.

Denn was ihm das ZDF da als Show zum Wegmoderieren gegeben hat, ist nur die Karikatur einer Quizshow. Die Grundidee besteht darin, dass ein Kandidatenpaar mit einer Million Euro das Spiel beginnt, acht Fragen bekommt, jeweils Geld auf die richtige Antwort setzt und so versucht, möglichst viel von der Million zu behalten. Das klingt ein wenig, nun ja, überkonstruiert – was es auch ist. Das Grundproblem allerdings ist, dass es sich bei dieser Quizshow weder um ein Quiz noch um eine Show handelt – und Pilawa wirkte während der Sendung manchmal so, als würde er das ahnen. Er wirkte verwirrt und entsetzt zugleich.

Trotzdem hat Pilawa die Sendung, so weit das ging, gerettet. Schließlich ist der Mann ein Profi, der weiß, was er vor einer Kamera machen muss. Das ist ja heutzutage für Fernsehmenschen auch nicht selbstverständlich. Pilawa scheint bei „Rette die Million!“ aber der einzige zu sein, der weiß, was er tut. Am wenigsten wissen die Kandidaten, und es wird wohl für immer ein Rätsel bleiben, was das ZDF für die erste Show da zusammen gecastet hat. Den Anfang machte ein Ehepaar, das – um es vorsichtig zu formulieren – nicht in der Lage war, die Herzen der Zuschauer im Sturm zu erobern. Im Prinzip wussten die nichts. Darüber unterhielten sie sich aber ausgiebig, und nachdem sie 900 000 Euro verloren hatten, haben sie sich sehr gefreut. So etwas lässt einen Fernsehzuschauer ratlos zurück, und zu dieser Ratlosigkeit kam irgendwann dann das Mitleid mit Jörg Pilawa, der sich wahrscheinlich nach 20 Minuten auch darüber wunderte, dass die Sendung noch nicht vorbei war.

Die Sendung ging über zwei Stunden, das zweite Kandidatenpaar bestand aus zwei Freundinnen, bei denen man sich darüber wunderte, warum Menschen meinen, sie wären bei einem Quiz gut aufgehoben. Man weiß ja von Menschen, die sich bei „Wer wird Millionär?“ bewerben, dass sie wochenlang üben, Lexika lesen, solche Sachen machen – die Kandidaten bei „Rette die Million!“ wissen im Prinzip nichts. Das reichte aber im Fall der beiden Freundinnen für 75 000 Euro Gewinn. Selten zuvor saß man vor dem Fernsehen und fragte sich: wofür eigentlich?

Der Zuschauer gewann nichts, aber der kann wenigstens umschalten. So bleibt der Verlierer des Abends der nette Jörg Pilawa. Der muss jetzt beim ZDF bleiben. Man will den Moderator nicht „verheizen“, heißt es beim Sender und spielt auf die Quantität seiner Auftritte bei der ARD an. Das mag stimmen. „Rette die Million!“ beweist, dass das ZDF im Prinzip gar nichts will.

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