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Ministergipfel bei Anne Will: Kanzleramtschef Altmaier und der türkische Sportminister Kilic

© dpa/Wolfgang Borrs

TV-Talk "Anne Will" zur Türkei: Mit dem Handbesen gegen den Scherbenhaufen

Kommt das deutsch-türkische Verhältnis wieder aus der Krise? So richtig sah es bei Anne Will nicht danach aus. Kanzleramtschef Altmaier diskutierte mit dem türkischen Sportminister Kilic.

Wäre die Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei eine Ehe: Ein Paartherapeut würde derzeit vermutlich zur Scheidung raten. Doch so einfach verhält es sich mit internationalen Beziehungen nicht, und deshalb bat Anne Will auf die Couch - vielmehr: die Sessel - um die Konflikte zu besprechen. Aktuell ist das ein großer, komplizierter Themenkomplex: Es geht um Nazi-Vergleiche, abgesagte Auftritte von türkischen Politikern in der Bundesrepublik - und natürlich um den Fall des in der Türkei inhaftierten "Welt"-Journalisten Deniz Yücel. Die ARD musste sich bei all diesen Problemen mit dem Sendungstitel "Welcher Weg führt aus der Krise mit der Türkei?" behelfen. Der Plural "Wege" und "Krisen" hätte nicht geschadet.

Ein "Minister-Gipfel" wurde einberufen, auf deutscher Seite: Kanzerlamtschef Peter Altmaier von der CDU. Für die türkische Regierungspartei AKP saß Akif Cagatay Kilic vor den Kameras, Jugend- und Sportminister unter Erdogan. Erste Frage an Kilic, Antwort auf Türkisch, von einem Dolmetscher übersetzt - obwohl der AKP-Minister perfektes Deutsch spricht, wie die Zuschauer spätestens bei seiner zweiten Antwort bemerkten. Es ist Wahlkampf, das Switchen zwischen Türkisch und Deutsch soll möglichst alle türkischstämmigen Mitbürger ansprechen: Die Traditionellen, die Modernen.

Türkische Regierung wirft Deutschland "Nazi-Methoden" vor

Altmaier nahm's gelassen. Der Kanzleramtschef kann zwar leider kein Türkisch, dafür aber Niederländisch - und sendete mit einem holländischen Statement einen Gruß an die Oranje-Nachbarn, in dem er sich klar von den Nazi-Vergleichen distanzierte, die Erdogan und Co. derzeit gegenüber der deutschen und niederländischen Regierung äußern. Grund ist unter anderem die Entscheidung der Niederländer, die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya auszuweisen. Auch in Deutschland wurden einige Auftritte von türkischen Ministern gerichtlich abgesagt - wie Altmaier betonte, unter anderem aufgrund des Brandschutzes. Türkische Medien konterten mit Angela-Merkel-Montagen, die die Kanzlerin mit Hakenkreuzbinde zeigen. Erdogan sprach von "Nazi-Methoden", was Altmaier scharf verurteilte.

Kilic sieht darin kein Problem, auch auf mehrmalige Nachfrage von Will distanzierte er sich nicht von diesen Äußerungen. Er verwies darauf, niemand habe gesagt, dass "in Deutschland ein Nazi-Regime" herrsche, lediglich die derzeit angewandten Methoden würden daran erinnern. Der Nachfrage nach konkreten Beispielen wich er aus. Dafür beschwerte er sich über die deutsche Presse, allen voran den "Spiegel", die in Deutschland ausschließlich negative Nachrichten über die Türkei verbreiten würde. Altmaiers Reaktion: "Ich mag den 'Spiegel' auch oft nicht. Aber es ist die Freiheit der Presse, auch das zu schreiben, was wir nicht mögen."

Heißer Draht ins Kanzleramt

Pressefreiheit - ein weiteres leidiges Thema, spätestens seit der Verhaftung des "Welt"-Journalisten Deniz Yücel. Altmaier plädierte dafür, Deutschland müsse Yücel konsularisch beraten dürfen, Kilic bestand darauf, der Reporter sei "keine politische Geisel". Die türkische Justiz würde ebenso wie in Deutschland völlig "offen" arbeiten.

Irgendwie scheinen allerdings permanent Akten, Informationen und Termine zwischen beiden Ländern verloren zu gehen. Unterlagen tauchen nie auf, Minister verpassen sich auf mysteriöse Weise, man redet aneinander vorbei: Das ist im Fall Yücel nicht anders als bei 4000 angeblichen Terror-Verdächtigen, zu denen die Türkei konkrete Vorwürfe an Deutschland übermittelt haben will. Wo sie geblieben sind oder wie viele davon bereits geprüft wurden - ein großes Fragezeichen. Kilic versprach, den türkischen Justizminister persönlich darauf anzusprechen; Altmaier offerierte im Gegenzug eine Non-Stop-Telefonleitung ins Kanzleramt - damit sich nur ja keine Staatsmänner mehr versäumen, obwohl sie sich gerade im selben Land befinden. Ein wenig erstaunlich scheint das schon angesichts der Tatsache, dass es Franzosen, Amerikaner und Minister aller anderen Nationen problemlos zu Terminen mit ihren deutschen Kollegen schaffen. Aber Kommunikation ist ja bekanntlich der Anfang alles Guten.

Trotzdem, das konstatierte Altmaier, herrsche in Deutschland mittlerweile viel weniger Verständnis für die Türkei als noch vor einigen Jahren. "Es muss sehr viel zerschlagenes Porzellan aus dem Weg geräumt werden". Das Talk-Gespräch von und mit Kilic, der seiner Türkei nur das Allerrosigste abgewinnen kann, hatte dabei leider nicht einmal die Funktion eines Handbesens.

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